Die widersprüchlichen Absichten der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf ihren Energieverbrauch

N°21, März 2020
Mehdi Farsi, Sylvain Weber & Laurent Ott (Institut de recherches économiques (IRENE), Universität Neuchâtel),

March 31, 2020
How to cite this article:

M. Farsi, L. Ott & S. Weber (2020). Die widersprüchlichen Absichten der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf ihren Energieverbrauch. Social Change in Switzerland, N°21. doi: 10.22019/SC-2020-00002

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© the authors 2020. This work is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY 4.0) Creative Commons License


Zusammenfassung

Dieser Artikel interessiert sich für die Absichten der Schweizer Haushalte, ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Zu diesem Zweck werden die Kenntnisse der Bevölkerung im Bereich der Energie sowie die Akzeptanz und Sichtbarkeit der CO2-Steuer untersucht. Die verwendeten Daten stammen aus der Erhebung Swiss Household Energy Demand Survey (SHEDS), die seit 2016 jährlich bei 5000 Haushalten in der Schweiz durchgeführt wird. Unsere Analyse weist auf einen Unterschied zwischen Städten und nicht-urbanen Gemeinden hin. Obwohl die CO2-Steuer von der Mehrheit der Befragten unterstützt wird, fehlt es ihr an Sichtbarkeit. Die meisten Menschen glauben, dass sie sich auf Unternehmen, nicht aber auf Haushalte auswirkt. Und von den direkt betroffenen Haushalten wissen viele nicht, dass diese Steuer auch für sie gilt. Aus unserer Analyse geht zudem hervor, dass eine Diskrepanz zwischen den Absichten zum Energiesparen und den Kenntnissen besteht, welche den angenommenen Zusammenhang zwischen besserer Information und konkreter Handlung in Frage stellt.


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Einleitung

Die letzten Jahre waren gekennzeichnet durch ein wachsendes Bewusstsein für die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die globale Erwärmung. Für die meisten von uns sind heute die Notwendigkeit und die Dringlichkeit des Handelns offensichtlich. Trotzdem nimmt der weltweite Verbrauch fossiler Brennstoffe, die die Hauptursache des Problems sind, weiter zu. Während wirtschaftspolitische Massnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs umgesetzt werden, untersuchen wir in diesem Artikel die Absichten der Bevölkerung, konkrete Massnahmen zu ergreifen. Diese Absichten können einerseits auf der Ebene des individuellen Verbrauchs sowie andererseits auf der kollektiven Ebene deutlich werden, z. B. bei der Befürwortung politischer Massnahmen wie Energiesteuern, oder durch die Unterstützung sozialer Bewegungen im Zusammenhang mit der „Klimakrise“. Allerdings unterscheiden sich die Absichten verschiedener Bevölkerungsgruppen erheblich. In diesem Artikel untersuchen wir die Schweizer Bevölkerung und konzentrieren uns dabei auf die folgenden drei Merkmale, für die wir die Repräsentativität unserer Stichprobe garantieren können: das Geschlecht, das Alter und der Wohnort.

In einer Reihe früherer Studien wurden bereits Widersprüche zwischen den Einstellungen und dem Verhalten der Schweizer Bevölkerung bezüglich der Umwelt aufgezeigt. Insbesondere Diekmann und Preisendörfer (1998) konnten mit ihrer Studie, die auf einer Befragung von fast 400 Bürgerinnen und Bürgern in Bern im Jahre 1991 basiert, zeigen, dass die Einstellung zur Umwelt nicht zwangsläufig mit den Verhaltensweisen in verschiedenen Bereichen wie Verkehr, Stromverbrauch, Recycling oder Einkaufen übereinstimmt. Zur Rechtfertigung dieser Widersprüche werden von den Personen drei Arten von Strategien angewandt. Erstens scheint sich jede Person auf Bereiche zu konzentrieren, in denen sie sich relativ anständig verhält, während andere Aspekte mehr oder weniger ausser Acht gelassen werden (Strategie der Aufmerksamkeitsverlagerung). Zweitens ziehen es Personen vor, sich in Bereichen umweltfreundlich zu verhalten, in denen dies mit wenig Aufwand verbunden ist (Low-cost Strategie), siehe auch Diekmann und Preisendörfer (2003). Und drittens glaubt die Mehrheit der Personen, dass sie sich bereits umweltfreundlicher als der Durchschnitt verhalte, und ist deshalb der Ansicht, dass eine Änderung der eigenen Gewohnheiten weder notwendig noch lohnend sei (Strategie der subjektiven Rationalität).

Diekmann und Meyer (2008) haben eine Analyse der Einstellungen und Verhaltensweisen der Schweizer Gesamtbevölkerung durchgeführt. Sie stützten sich dabei auf die Schweizer Umweltsurveys von 1994 und 2007, in dem rund 2500 bzw. 3400 Personen befragt wurden. Ihre Ergebnisse zeigen, dass das Umweltbewusstsein das individuelle Verhalten zwar nur mässig beeinflusst, dass es sich aber positiv auf den Grad der Befürwortung umweltpolitischer Massnahmen auswirkt. Kürzlich haben Bruderer, Enzler und Diekmann (2019) eine neue Analyse mit Daten des Schweizer Umweltsurveys 2007 durchgeführt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass das Einkommen eine wichtige bestimmende Grösse für Emissionen ist (je höher das Einkommen, desto mehr Emissionen), dass aber auch das Umweltbewusstsein die Emissionen beeinflusst (je umweltbewusster, desto weniger Emissionen).

Des Weiteren liegen verschiedene Analysen in Bezug auf die CO2-Steuer in der Schweiz vor. Thalmann (2004) untersuchte die Ergebnisse einer Abstimmung aus dem Jahr 2000 über drei Vorschläge für Umweltsteuern, die von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler abgelehnt wurden. Basierend darauf lässt sich die gesellschaftliche Akzeptanz solcher Steuern insgesamt untersuchen. Die Ergebnisse der Abstimmung zeigen, dass politische Affinität und Bildung die beiden Merkmale sind, die sich am stärksten auf die Akzeptanz von Steuern auswirken. Demzufolge ist die Akzeptanz von Umweltsteuern unter Bürgerinnen und Bürgern deutlich höher, die sich im politischen Spektrum links verorten und über ein hohes Bildungsniveau verfügen. Baranzini und Carattini (2017) haben zwischen Dezember 2012 und Januar 2013 insgesamt 338 Personen im Kanton Genf befragt, um herauszufinden, inwieweit sie Umweltsteuern unterstützen. Interessanterweise stellte sich heraus, dass nur 40 Prozent der Befragten wussten, dass es in der Schweiz bereits eine CO2-Steuer gibt. Ein hoher Anteil der Befragten befürwortet Umweltsteuern, insbesondere dann, wenn die Einnahmen aus den Steuern zur Finanzierung von Umweltprojekten verwendet werden und wenn statt des Begriffs „ CO2-Steuer“ der Begriff „Klimabeitrag“ verwendet wird. Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen auch, dass sich eine höhere Ausbildung positiv auf die Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz einer Umweltsteuer auswirkt.

Unsere Analyse stützt sich auf eine neue Umfrage, die auf einer grossen repräsentativen Stichprobe der Schweizer Bevölkerung basiert, und die Resultate gehen in dieselbe Richtung wie obengenannte Studien. Unser Artikel vermittelt jedoch ein aktuelleres Bild der Absichten und Kenntnisse der Schweizer Bevölkerung über verschiedene Aspekte des Energieverbrauchs.

Eine neue Umfrage zum Energieverbrauch

Die Umfrage Swiss Household Energy Demand Survey (SHEDS) wurde vom Kompetenzzentrum für Forschung in Energie, Gesellschaft und Transition SCCER CREST mit dem Ziel entwickelt, den Energieverbrauch und das damit verbundene Verhalten in Schweizer Haushalten zu analysieren. Die Umfrage wird seit 2016 jährlich mit einer repräsentativen Stichprobe von 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Regionen des Landes, mit Ausnahme des Kantons Tessin, durchgeführt. Eine detailliertere Beschreibung der SHEDS findet sich bei Weber et al. (2017).

Mit dem Fokus auf Absichten und Kenntnisse analysieren wir die Unterschiede, die zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen beobachtet wurden. Wir betrachten dabei drei verschiedene Altersgruppen und unterscheiden zwischen Städten, wie sie vom Bundesamt für Statistik definiert werden, und allen Agglomerationen und ländlichen Gemeinden, die im Folgenden als „nicht-urbane Gemeinden“ bezeichnet werden. Zur Erhöhung der Genauigkeit nehmen wir zudem die Daten aller Erhebungen von 2016 bis 2019 in unsere Umfrage auf. Die Stichprobe umfasst somit 10’012 Personen. Wir verwenden auch eine Teilstichprobe von 590 Befragten aus der Erhebungswelle 2019, denen eine Reihe zusätzlicher Fragen zur CO2-Steuer und ihrer Wirksamkeit gestellt wurde.

Absichten zur Reduzierung des Energieverbrauchs

Derzeit wird der Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die globale Erwärmung weitgehend akzeptiert, und die Handlungsbereitschaft nimmt nicht nur unter den Regierungen, sondern auch in der Gesellschaft zu. Durch die SHEDS-Daten ist es möglich, dieses Bewusstsein auf individueller Ebene zu messen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden konkret gefragt, ob sie in den kommenden zwölf Monaten beabsichtigen, Folgendes zu verringern: (1) ihren Stromverbrauch, (2) ihren Heizenergieverbrauch, (3) die Nutzung ihres Autos, (4) ihren CO2-Ausstoss. Die Befragten wurden gebeten, eine Antwort auf einer Skala von 1 „sehr unwahrscheinlich“ bis 5 „sehr wahrscheinlich“ zu geben.

Abbildung 1 zeigt die Anteile der Befragten, die angeben, dass sie wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich die Nutzung ihres Fahrzeugs reduzieren wollen. Insgesamt erklärte sich nur ein Viertel der Befragten zu einer Verringerung bereit. Für den Strom- und Heizenergieverbrauch (hier nicht dargestellt) wurden etwas höhere Anteile (etwa ein Drittel) ermittelt.

Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse für die beabsichtigte Reduzierung des eigenen CO2-Ausstosses. Insgesamt liegt der Anteil der Befragten, die sich zur Verringerung ihres CO2-Ausstosses bereit erklärten, bei 33 %. In jedem Fall wird deutlich, dass nur relativ wenige Menschen eine Änderung jener Verhaltensweisen erwägen, welche einen wesentlichen Teil ihres Energieverbrauchs ausmachen. Die Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass Frauen und Jugendliche (die Altersgruppe der 18–34-Jährigen) eher dazu bereit sind, nicht nur ihren CO2-Ausstoss, sondern auch ihren Energieverbrauch in allen drei spezifischen Kategorien zu reduzieren. Darüber hinaus sind Menschen, die in Städten wohnen, eher dazu bereit, ihren CO2-Ausstoss und die Nutzung ihres Fahrzeugs zu verringern. Die Tatsache, dass das öffentliche Verkehrsnetz in Städten besser entwickelt ist als auf dem Land, muss bei dieser Beobachtung sicherlich berücksichtigt werden.

Da in der SHEDS-Umfrage lediglich die Absichten für drei Folgejahre (2017–2019) erfasst wurden, lassen sich grössere Veränderungen nur schwer feststellen. Angesichts der jüngsten Intensivierung der Klimadiskussion ist jedoch vorstellbar, dass sich in diesem Bereich rasche Veränderungen vollziehen. Tatsächlich scheint der Anteil der Personen, die ihren CO2-Ausstoss verringern wollen, gestiegen zu sein, und zwar von 30 Prozent im Jahr 2018 auf 35 Prozent im Jahr 2019. Im Gegenzug dazu lässt sich kein solcher Wandel in Bezug auf die beabsichtigte Reduzierung von Elektrizität, Heizungsenergie oder Mobilität beobachten. Somit scheint sich die Diskrepanz zwischen allgemeinen und spezifischen Absichten weiter zu vergrössern und hier besteht folglich ein gewisser Widerspruch, der in ähnlicher Weise bereits von Diekmann und Preisendörfer (1998) festgestellt wurde: Obgleich die Haushalte offenbar ihren Energieverbrauch senken wollen, bleibt unklar, wie sie sich die Umsetzung dieser Verringerung, insbesondere im Hinblick auf die Mobilität, konkret vorstellen.

Um die Unterstützung für soziale Bewegungen genauer ermitteln zu können, wurde eine Teilstichprobe der SHEDS-Welle von 2019 nach ihrer Unterstützung (oder Ablehnung) von Klimastreiks befragt, die zum Zeitpunkt der im April durchgeführten Umfrage ein wichtiges Thema in den Nachrichten waren. Den Ergebnissen zufolge besteht ein erheblicher Unterschied zwischen Städten (ca. 40 % Unterstützung) und nicht-urbanen Gemeinden (25 % Unterstützung). Die stärkste Unterstützung zeigt sich mit fast 50 Prozent bei jungen Frauen (18–34 Jahre), was mehr oder weniger den oben dargelegten Absichten entspricht.

Kenntnisse im Bereich Energieverbrauch

Ein wichtiger Aspekt im Energiebereich ist das Verstehen dieser Thematik und ihrer Auswirkungen auf das Klima. Die SHEDS-Umfrage enthält eine Reihe von Fragen, mit der die Kenntnisse im Bereich Energie getestet werden. Die Befragten werden insbesondere gebeten anzugeben, ob die folgenden Aussagen zutreffen:

  • Der grösste Teil der in einem Schweizer Haushalt verbrauchten Energie entfällt auf den Heizwärmebedarf. (wahr)
  • CO2-Emissionen spielen bei der Klimaerwärmung eine entscheidende Rolle. (wahr)
  • In einem durchschnittlichen Haushalt kann allein durch das Absenken der Heiztemperatur um 1 °C der Heizbedarf um 6 Prozent gesenkt werden. (wahr)
  • Kohle ist eine erneuerbare Energiequelle. (falsch)
  • Wasserkraftwerke erzeugen 10 Prozent der gesamten Schweizer Stromproduktion. (falsch)

Durch Zählen der richtigen Antworten kann ein Index der „Energiekompetenz“ auf einer Skala von 0 bis 5 erstellt werden. Da einige der Befragten die richtige Antwort vielleicht nur durch Zufall angekreuzt haben, stellen die Ergebnisse eine Obergrenze für den Kenntnisstand dar. In Abbildung 3 werden die Durchschnittswerte pro Bevölkerungsgruppe dargestellt. Mit einem Ergebnis von drei bis vier richtigen Antworten lässt sich insgesamt ein relativ hoher Kenntnisstand verzeichnen. In Abhängigkeit von soziodemografischen Merkmalen zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede. So kam es bei Männern und älteren Menschen zu mehr richtigen Antworten als bei Frauen und jüngeren Menschen. Es scheint keine Unterschiede nach geographischem Standort zu geben.

Bei einer Gegenüberstellung dieser Ergebnisse und den Absichten zeigt sich, dass selbst bei Gruppen mit relativ guten Kenntnissen im Bereich Energie die Absichten, den Verbrauch zu reduzieren, recht bescheiden bleiben. Die Bevölkerungsgruppen mit dem besten Kenntnisstand (Männer und ältere Menschen) scheinen am wenigsten zu Verhaltensänderungen bereit zu sein. In Abbildung 4 werden die Absichten zur Verringerung des CO2-Ausstosses in Beziehung zur Energiekompetenz gesetzt. Sie zeigt eine schwache oder sogar negative Korrelation, die uns zu der Schlussfolgerung führt, dass eine höhere Energiekompetenz nicht unbedingt zu besseren Absichten führt. Einfaches Informieren der Öffentlichkeit über Energiefragen wird daher nicht ausreichen, um den Verbrauch zu reduzieren. Wie von Diekmann und Meyer (2008) angemerkt, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass eine höhere Energiekompetenz mit einer grösseren Sensibilität für Umweltfragen einhergeht. Obwohl sich Informationen und Kenntnisse nicht direkt auf den Energieverbrauch auswirken, dürften sie dennoch die Diskussion und die Verabschiedung politischer Massnahmen zur Verringerung von Umweltbelastungen erleichtern.

Akzeptanz und Sichtbarkeit der CO2-Steuer

Die CO2-Steuer ist ein wichtiges Instrument der Schweizer Wirtschaftspolitik, um den Verbrauch von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Ihre Wirksamkeit kann jedoch durch ihre mangelnde Sichtbarkeit beeinträchtigt werden. In der Schweiz wird die CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe erhoben, die zum Heizen verwendet werden (Öl und Gas), und über eine Senkung der Krankenkassenbeiträge an die Bevölkerung rückverteilt. Somit wird die Steuer effektiv nur von einem Teil der Haushalte getragen, während alle einen Ausgleich erhalten. Derzeit beträgt die Steuer etwa 25 bis 30 Prozent des Brennstoffpreises, was im Allgemeinen für eine Wohnung von 100 m2 je nach Energieeffizienz zwischen 120 und 500 Franken pro Jahr bedeutet. Seit 2018 belaufen sich die umverteilten Beträge auf mehr als 75 Franken pro Person und Jahr.

Um zu bestimmen, inwieweit die CO2-Steuer von den Schweizer Haushalten und insbesondere von denjenigen, die ihr unterliegen, richtig verstanden wird, werden die Befragten der SHEDS-Umfrage gebeten, die Beträge anzugeben, die sie ihrer Ansicht nach zahlen und erhalten müssten. In Abbildung 5 sind die Ergebnisse dargestellt. In Abbildung 5.A werden nur Haushalte berücksichtigt, deren Heizungsanlage (für Wohnraum oder Wasser) mit Öl oder Gas betrieben wird. Aufgrund ihrer Heizungsanlage zahlen alle diese Haushalte CO2-Steuer. Es wird deutlich, dass die Mehrheit sich der Tatsache bewusst ist, dass sie etwas bezahlen muss (wir berücksichtigen dabei nicht die angegebenen Beträge). Die Ergebnisse implizieren jedoch auch, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil (je nach Gruppe zwischen 22 % und 45 %) der Meinung ist, nichts zu bezahlen. Dieser Anteil scheint bei älteren Menschen und Frauen etwas höher zu sein, wobei die Unterschiede jedoch nicht sehr signifikant sind. Zudem wäre zu erwarten, dass Vermieterinnen und Vermieter besser informiert sind als Mieterinnen und Mieter, die nur begrenzt Zugang zu Informationen über ihre Heizkosten haben. Die Kenntnisse der Eigentümerinnen und Eigentümer scheinen jedoch nicht systematisch besser zu sein als die der Mieterinnen und Mieter. Es ist daher wichtig zu betonen, dass die Wirksamkeit einer Steuer zu einem grossen Teil davon abhängt, inwieweit dafür ein Verständnis in der Öffentlichkeit besteht. Wenn die Personen, deren Verhalten mit einer Steuer beeinflusst werden soll, die Folgen dieser Steuer nicht kennen, ist es in der Tat sinnlos zu erwarten, dass die gewünschte Wirkung dieser Steuer sich am Ende auch wird beobachten lassen.

Auf der Ebene der Umverteilung der CO2-Steuer (Abbildung 5.B) wird über alle Bevölkerungsgruppen hinweg deutlich, dass die Steuer nur von wenigen nachvollzogen wird. Während zwischen 2017 und 2019 jährlich Beträge zwischen 67,80 und 88,80 Franken gezahlt wurden, gibt weniger als jede fünfte Person korrekt an, einen Betrag zwischen 60 und 100 Franken erhalten zu haben. Die meisten Befragten haben das Gefühl, dass sie weniger (oder gar nichts) erhalten oder können die Frage nicht beantworten. Diese Ergebnisse offenbaren den schlechten Ruf von Steuern im Allgemeinen und den begrenzten Kenntnisstand in Bezug auf die Funktionsweise der CO2-Steuer im Besonderen, was mit einem Mangel an Sichtbarkeit und Kommunikation zusammenhängen kann. Um die Wirksamkeit der CO2-Steuer zu gewährleisten, scheint es daher wichtig, Kommunikationsanstrengungen zu unternehmen. Zudem ist erwähnenswert, dass diese Ergebnisse jene von Baranzini und Carattini (2017) stützen, die feststellten, dass die Bezeichnung der Steuer Auswirkungen auf ihre Akzeptanz hat. Die Verwendung eines Begriffs wie „Klimabeitrag“ anstelle von „CO2-Steuer“ könnte sich daher als vorteilhaft erweisen.

Eine Teilstichprobe von 590 Befragten aus der SHEDS-Welle von 2019 wurde nach ihrer Wahrnehmung der Wirksamkeit der CO2-Steuer befragt. Konkret wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt, ob sie die Steuer, die auf 1) Haushalte und 2) Unternehmen erhoben wird, als wirksam für die Reduzierung der CO2-Emissionen erachten würden. Insgesamt wird die Unternehmensbesteuerung – mit Ausnahme der ausserhalb der Städte lebenden Frauen über 55 Jahre – von der absoluten Mehrheit als wirksam empfunden, obgleich das Ergebnis für Bewohnerinnen und Bewohnern der nicht-urbanen Gemeinden und bei älteren Menschen niedriger ausfällt.

Andererseits wird die Besteuerung von Haushaltsemissionen von der Bevölkerung als viel weniger effektiv wahrgenommen, insbesondere von Männern unter 35 Jahren und Frauen unter 35 Jahren, die ausserhalb von Städten leben. Der Unterschied in der Wahrnehmung der Wirksamkeit der CO2-Steuer zwischen Unternehmen und Haushalten ist bei Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern sowie bei Personen unter 35 Jahren besonders ausgeprägt. Wie von Ott & Weber (2018) erwähnt, erklärt sich die als gering wahrgenommene Wirksamkeit der Haushaltsbesteuerung dadurch, dass die Schweizerinnen und Schweizer und insbesondere diejenigen, die in den Städten leben, vorwiegend Mieterinnen und Mieter sind. Da sie wenig Einfluss auf Investitionen in die Energieeffizienz ihrer Wohnungen haben, könnten sie – zu Recht – die CO2-Steuer auf Haushaltsebene als ineffizient empfinden.

Die oben genannten 590 Befragten wurden des Weiteren gebeten, ihre Meinung zur Emissionsbesteuerung in einem Scheinreferendum zu äussern. Sie wurden gefragt, welche Wahl sie treffen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten, sich in einer Abstimmung über die aktuelle CO2-Steuer zu äussern. Ihre Antworten deuten darauf hin, dass die Unterstützung einer CO2-Steuer bei den über 35-Jährigen, unabhängig von ihrem Wohnort, mit mehr als 50 Prozent Ja-Stimmen recht hoch, bei den unter 35-Jährigen jedoch viel geringer ist, mit Ausnahme der in den Städten lebenden Frauen. Der geringe Anteil an positiven Stimmen bei den unter 35-Jährigen kann mit ihrer Wahrnehmung der Wirksamkeit der CO2-Steuer auf Haushalte verglichen werden, die ebenfalls niedriger ist als die der übrigen Bevölkerung.

Generell zeigen die Ergebnisse, dass die CO2-Steuer trotz einiger Zweifel an ihrer Wirksamkeit von der Bevölkerung recht gut angenommen wird. Diese hohe Akzeptanz ist angesichts der Bedeutung dieses Instruments in der Klimapolitik der Eidgenossenschaft von Bedeutung. Eine andere Frage der Erhebung zeigt jedoch, dass die Eidgenossenschaft mehr tun könnte, um die Öffentlichkeit über dieses Thema zu informieren: 72 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Schweizer Behörden mehr über die CO2-Steuer kommunizieren sollten. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit die öffentliche Unterstützung durch eine bessere Kommunikation erhöht werden kann. Während Diekmann und Meyer (2008) feststellten, dass Informationen einen positiven Einfluss haben, beobachteten andere (z. B. Kallbekken et al., 2011), dass mehr Informationen nicht unbedingt zu weniger Abneigung gegen Umweltsteuern führen.

Schlussfolgerungen

In dem vorliegenden Artikel haben wir die Absichten der Schweizer Bevölkerung, ihren Energieverbrauch zu reduzieren, und ihre Kenntnisse im Bereich Energie untersucht. Dabei wurde auch die Akzeptanz der CO2-Steuer und inwieweit sie nachvollzogen wird, analysiert. Unsere Analyse hat signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen deutlich gemacht. Im Allgemeinen haben Frauen, junge Menschen und die Bevölkerung in Städten stärkere Absichten, ihren Konsum zu reduzieren, und zeigen mehr Unterstützung für soziale Klimaschutzbewegungen. Zwischen der städtischen und der nicht-urbanen Bevölkerung bestehen insbesondere grosse Unterschiede hinsichtlich der Nutzung von Fahrzeugen.

Unsere Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass bei einem Grossteil der Bevölkerung die Bereitschaft, ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren, gering oder gar nicht vorhanden ist. Ein anderer Teil der Bevölkerung erklärt sich zwar dazu bereit, trifft jedoch keine konkreten Massnahmen, um wirksam den Energieverbrauch verringern zu können. Es besteht also eine Inkonsistenz zwischen allgemeinen Absichten und spezifischen Aktionen. Insbesondere sind die Absichten, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, relativ hoch und steigend, während die Absichten, das eigene Verhalten in Bezug auf Mobilität, Heizung und Stromverbrauch zu ändern, geringer sind und stagnieren.

Positiv ist jedoch, dass die Mehrheit die Behörden bei wirtschaftspolitischen Massnahmen zur Bewältigung des Energieproblems unterstützen würde. Die CO2-Steuer scheint, mit Ausnahme der jungen Menschen, die in nicht-urbanen Gemeinden leben, relativ gut akzeptiert zu werden. Es bestehen jedoch grosse Unterschiede in den Zielgruppen (Haushalte oder Unternehmen), was die Wahrnehmung der Wirksamkeit der Steuer betrifft. Die meisten Befragten halten die Unternehmensbesteuerung für effizient, die Besteuerung der Haushalte jedoch für ineffizient. Ebenso mangelt es in der Bevölkerung an Sichtbarkeit und einem Verständnis für die Steuer an sich.

Schliesslich stellen wir eine Diskrepanz zwischen Absichten und Kenntnissen fest, die den angenommenen Zusammenhang zwischen Information und Aktion in Frage stellt. Falls der Zusammenhang überhaupt existiert, wirkt sich die Information jedenfalls nur indirekt auf den Energieverbrauch aus. Wie bereits von Diekmann und Meyer (2008) hervorgehoben, dürften Informationskampagnen in der Tat das Wissen der Öffentlichkeit über Umweltfragen erhöhen, was wiederum die Zustimmung zu umweltpolitischen Massnahmen fördert. Unter Umständen haben Informationskampagnen jedoch nur eine unerhebliche Wirkung. Insbesondere im Vergleich zu der Wirkung, die bestimmte emblematische Persönlichkeiten wie Greta Thunberg erzielen, die uns daran erinnern, dass unser Haus brennt, während wir anderswo hinschauen, und dass es Zeit ist, entsprechend zu handeln.

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