Die räumliche Verteilung der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz
J. Zufferey & P. Wanner (2020). Die räumliche Verteilung der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz. Social Change in Switzerland, N°22. doi: 10.22019/SC-2020-00004
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Zusammenfassung
Die Debatte über die räumliche Ansiedlung der ausländischen Bevölkerung steht in der Schweiz noch ganz am Anfang, auch wenn der Ausländeranteil stetig zunimmt und bisweilen der Verdacht der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt geäussert wird. Auf der Grundlage eines Segregationsindexes trägt dieser Artikel zu dieser Debatte bei, da er für ausländische Bevölkerungsgruppen aus Frankreich, Portugal und Nordamerika, einen hohen Konzentrationsgrad in der gesamten Schweiz aufzeigt. Auf kantonaler Ebene nimmt die Konzentration der zugezogenen Bevölkerung aus Frankreich und Portugal ab, während sie bei der Bevölkerung aus Nordamerika und der Türkei hoch bleibt. Das Wallis und Bern sind die Kantone, in denen die Segregation am grössten ist. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die räumliche Segregation nicht nur die prekärsten Bevölkerungsgruppen betrifft, sondern auch die einkommensstärksten.
Diese Studie wurde vom Nationalen Forschungszentrum nccr – on the move unterstützt und vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziert.
Copyright
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Einleitung
In den europäischen Ländern beschäftigen sich zwar oftmals die Verantwortlichen der Migrationspolitik mit der Ansiedlung ausländischer Bevölkerungsgruppen oder ethnischer Minderheiten, aber das Thema wurde bislang kaum in Studien untersucht. Dies steht im Gegensatz zu Nordamerika, wo Segregationsmuster (manchmal auch als Differenzierung oder Konzentration bezeichnet) Gegenstand zahlreicher Publikationen sind. In der Schweiz ist die räumliche Verteilung der Bevölkerung nur in einer Handvoll neuerer Studien untersucht. Insbesondere Schuler und Dessemontet (2009) weisen im Vergleich zu angelsächsischen Ländern auf eine geringe räumliche Differenzierung hin, die auf einem ähnlichen Niveau wie in anderen westeuropäischen Ländern liegt. Sie stellen jedoch fest, dass diese Differenzierung bei der kürzlich zugewanderten Bevölkerung im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung signifikanter ist, was die Ergebnisse einer früheren Studie auf der Grundlage der Volkszählung von 1990 bestätigt (Huissoud et al., 1999). Diese Studie zeigt insbesondere durch die Berechnung von Segregationsindizes auf Grundlage der Sprache, die in Gemeinden und Stadtvierteln gesprochen wird, dass albanisch- und portugiesischsprachige Personen einer besonders starken Segregation ausgesetzt sind.
Unser Artikel präsentiert eine aktualisierte Analyse der räumlichen Verteilung, das die wichtigsten in der Schweiz lebenden ausländischen Bevölkerungsgruppen unterscheidet. Eine solche Analyse ermöglicht es, die räumliche Konzentration bestimmter Gruppen zu entschlüsseln, die z. B. verknüpft sind mit Netzwerkeffekten (Kettenmigration), einer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt oder Schwierigkeiten beim Zugang zu bestimmten Wohnungen aufgrund des sozioökonomischen Status oder der Tatsache, dass der Wohnungsmarkt nicht staatlich reguliert ist. Letzteres wird als einer der Faktoren diskutiert, die für die Segregation zwischen Arm und Reich verantwortlich sind (Musterd und De Winter, 1998, Wacquant, 2007).
Eine Erfassung der schweizerischen Situation in Bezug auf die Segregation ist ausserdem von Bedeutung, da wir in einer Zeit leben, die von tiefgreifenden Veränderungen in der Raumordnungspolitik und auf dem Wohnungsmarkt geprägt ist. So ging das starke demographische Wachstum der letzten Jahrzehnte insbesondere einher mit einer Zunahme des Ausländeranteils (der inzwischen 25 % erreicht hat) und mit einer grösseren Vielfalt, was die soziale und nationale Herkunft der Ausländerinnen und Ausländer betrifft. Die ausländische Präsenz wird in der Politik nach wie vor heftig debattiert. Eine kürzlich vom Bundesamt für Wohnungswesen veröffentlichte Studie zeigt Diskriminierung aufgrund der ethnischen Merkmale von Wohnungsbewerbern (Auer et al. 2019), die für sichtbare Minderheiten zu Schwierigkeiten beim Zugang zu bestimmten Vierteln führen könnte, wie Massey, Gross und Shibuya (1994) in den Vereinigten Staaten gezeigt haben. Zudem hat das Bevölkerungswachstum in den letzten Jahren zu einer räumlichen Neuordnung der Schweiz geführt, mit einer raschen Entwicklung der suburbanen Gebiete. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, die Verteilungslogiken der Bevölkerungsgruppen zu dokumentieren, um gegebenenfalls problematische Situationen ermitteln zu können.
Dieser Artikel ordnet sich in diesen Kontext ein. Auf Grundlage einer innovativen Methodik präsentiert er einen Segregationsindex, der auf verschiedene in der Schweiz lebende Ausländergruppen angewendet wird, und der zwischen der ganzen Schweiz einerseits und den einzelnen Kantonen andererseits unterscheidet[1].
Daten und Methoden
Die verwendeten Daten stammen aus der Statistik der Bevölkerung (STATPOP) per 31. Dezember 2014. Dieses umfassende Register wurde vom Bundesamt für Statistik (BFS) zur Verfügung gestellt. Es enthält Informationen über die Nationalität der einzelnen Personen sowie über ihren rechtlichen Wohnsitz. Personen, die in Kollektiv- oder Sammelhaushalten leben, wurden nicht berücksichtigt, um die Analyse auf die für den Wohnungsmarkt relevanten Personen zu konzentrieren. Für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz stellte das BFS auch Informationen über den genauen Standort (pro Hektar) zur Verfügung.
Die in Privathaushalten lebende ständige Wohnbevölkerung wurde nach ihrer jeweiligen Nationalität unterteilt, wobei sechs Gruppen berücksichtigt wurden. Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und die Türkei wurden als Nationalitäten separat untersucht. Die sechste Gruppe bildeten die Personen aus Nordamerika, das heisst aus Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika[2]. Bei der Interpretation der Ergebnisse für die ersten drei Nationalitäten ist zu berücksichtigen, dass die Personen aus diesen Ländern eine gemeinsame Landessprache und geografische Nähe zur Schweiz haben. Diese beiden Elemente spielen eine vorherrschende Rolle bei der territorialen Ansiedlung von Personen aus diesen drei Ländern.
Tabelle 1 gibt die Personenzahl der einzelnen untersuchten Bevölkerungsgruppen sowie zwei Indikatoren an: den Bildungsgrad und das Medianeinkommen, wodurch die Unterschiede in den Profilen der betrachteten Nationalitäten verdeutlicht werden. Auch wenn innerhalb jeder ausgewählten Gruppe eine Heterogenität in Bezug auf Ausbildung und Einkommen besteht, sind die vorgestellten Indikatoren für die Interpretation der Ergebnisse nützlich: Mehr als die Hälfte der Personen aus Deutschland, Frankreich und Nordamerika hat eine Hochschulausbildung und verfügt über ein Erwerbseinkommen, das mit dem der Schweizer Bevölkerung vergleichbar ist. Am anderen Ende der Skala stehen Personen aus Portugal und der Türkei mit einem geringen Anteil an Personen mit tertiärer Bildung und einem eher bescheidenen Erwerbseinkommen.
Die Segregation wird hier mit einem innovativen Index gemessen, dem S-Index von Hennerdal und Nielsen (2017)[3]. Durch die Verwendung von geokodierten Daten ermöglicht dieser Ansatz eine Loslösung von Verwaltungsgebieten (z. B. Gemeinden oder Kantone), die zu Messungenauigkeiten in früheren Studien zur Segregation geführt haben.
Der S-Index basiert auf folgendem Prinzip: Für jedes Individuum wird der Anteil einer Interessengruppe der Bevölkerung (hier die nationalen Gruppen) an den 10’000 (kantonale Analysen) bzw. 100’000 (nationale Analysen) Personen, die einander geografisch am nächsten sind, gemessen. Dieser Anteil wird dann mit dem jeweiligen Anteil des Kantons oder der Schweiz insgesamt verglichen. So kann festgestellt werden, ob die untersuchte Gruppe in der Nachbarschaft über- oder unterrepräsentiert ist[4]. Die Zusammenstellung dieser Einzelmessungen ergibt einen gewichteten Index zwischen 0 und 1. Dieser Index kann als der Bevölkerungsanteil einer bestimmten Nationalität interpretiert werden, der in eine andere Nachbarschaft umgesiedelt werden muss, um eine gleichmässige Verteilung im gesamten Untersuchungsgebiet zu erreichen. Je näher der Indexwert bei 0 liegt, umso gleichmässiger ist die Bevölkerung der jeweiligen Gruppe verteilt und je näher der Indexwert bei 1 liegt, umso stärker segregiert ist sie. In unserer Analyse gehen wir davon aus, dass ein Index von mehr als 0,5 für ein westeuropäisches Land ein hohes Mass an Segregation darstellt. In den Vereinigten Staaten gilt allgemein ein Index von mehr als 0,7 als ein sehr hohes Mass an Segregation (Massey und Denton, 1989). Historisch gesehen verzeichneten einige Gebiete Südafrikas während der Apartheid Indizes von bis zu 0,95[5]. Es ist noch zu ergänzen, dass der Index zwar Informationen über die Verteilung einer Gruppe in einem Gebiet liefert, die Gründe für diese Verteilung aber nicht angegeben werden.
Die Verteilung von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz im Jahr 2014
Die Migrantinnen und Migranten leben hauptsächlich in städtischen Gebieten, insbesondere in den Wirtschafts- und Handelszentren. In den Zentren gibt es mehr berufliche Möglichkeiten, die Arbeitsplätze entsprechen eher dem sozioökonomischen Profil der Migrantinnen und Migranten und die soziale Integration ist oftmals leichter möglich (Huissoud et al., 1999). Während städtische Regionen in der Schweiz einen höheren Ausländeranteil aufweisen als ländliche Gebiete, liegen die Regionen mit einem gemischten Profil irgendwo dazwischen. Auf lokaler Ebene beeinflussen jedoch viele andere Faktoren die Anzahl und den Anteil der Ausländerinnen und Ausländer, wie z. B. die Art der kommunalen Wirtschaft, die eventuelle Präsenz von multinationalen Unternehmen oder Privatschulen, der Wohnungsmarkt oder die Nähe der Grenzen.
Abbildung 1 zeigt eine geglättete Darstellung der räumlichen Ansiedlung der ausländischen Bevölkerung, ausgedrückt für jeden bewohnten Hektar als Prozentsatz der Ausländerinnen und Ausländer unter den 10’000 nächsten Nachbarn. Dieser Anteil ist in der Gemeinde Röthenbach im Berner Emmental mit 2,1 % am niedrigsten und in der Gemeinde Crissier (bei Lausanne) mit 62,4 % am höchsten. Die Konzentration von Migrantinnen und Migranten in den grossen städtischen Zentren, wie sie aus dieser Abbildung hervorgeht, geht auch mit einer starken Präsenz in Vorstadtgebieten in der Nähe von Wirtschaftszentren einher, wie z. B. an den Ufern des Genfer Sees oder des Zürichsees. Weitere Konzentrationsphänomene treten in den Alpenregionen von Wallis (in Richtung Verbier oder Zermatt) und Graubünden (auf der Achse Maloja – St. Moritz – Zuoz) auf, die sich sowohl durch den Wohnsitz wohlhabender Ausländer als auch durch die Präsenz ausländischer Arbeitskräfte im Tourismussektor erklären lassen.
In Abbildung 1 wird die Verteilung der Bevölkerung dargestellt, nicht aber die Segregation, d. h. das Ausmass der ungleichen Verteilung über das Gebiet. Der Grad der Segregation wurde für die verschiedenen Nationalitäten in Abbildung 2 berechnet. Sie zeigt in Blau Bereiche an, in denen nationale Gruppen unterrepräsentiert sind, und in Rot Bereiche, in denen nationale Gruppen überrepräsentiert sind. Das Mass der Segregation wurde ermittelt, indem die entsprechende Nationalität innerhalb der 100’000 engsten Nachbarn mit ihrem Anteil in der ganzen Schweiz verglichen wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass die Personen aus Frankreich mit einem Index von 0,73 am stärksten segregiert sind (Abbildung 2). Dieses hohe Mass an Segregation lässt sich dadurch erklären, dass sich die Französinnen und Franzosen aus Gründen der sprachlichen, kulturellen und geografischen Nähe vor allem in der Romandie konzentrieren. Da in der Romandie nur etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung der Schweiz lebt, konzentriert sich die Mehrheit der Französinnen und Franzosen auf ein relativ kleines Gebiet. Die einzige Ausnahme bildet die französischen Präsenz in der Region Zürich, die wahrscheinlich mit beruflichen Chancen für eine hochqualifizierte Bevölkerung in Sektoren mit hoher Wertschöpfung verbunden ist.
Mit einem Index von 0,54 ist auch die Segregation bei den Personen aus Portugal relativ hoch. Sie sind aufgrund von Sprachaffinitäten in der lateinischen Schweiz sowie in Graubünden konzentriert. Die Nordamerikanerinnen und -amerikaner, eine kleine Bevölkerungsgruppe in der Schweiz, weisen mit 0,56 ein ähnliches Niveau auf, jedoch aus einem Grund, der nichts mit sprachlichen oder kulturellen Faktoren zu tun hat. Die Konzentration ist in grossen städtischen Zentren zu beobachten, wo sich Beschäftigungsmöglichkeiten für nordamerikanische Staatsangehörige bieten, die im Allgemeinen hoch qualifiziert sind. Diese Art der Konzentration deutet auch auf eine geringe Präsenz hoch qualifizierter Bevölkerungsgruppen ausserhalb der Ballungsgebiete von Grossstädten hin.
Nationalitäten mit einem mittleren Segregationsgrad sind türkische (mit einem Index von 0,44 und einer Konzentration in der Ostschweiz) und deutsche Staatsangehörige (mit einem Index von 0,42, überrepräsentiert auf einer Ost-Nordost-Achse). Im Gegenzug dazu weisen die Italienerinnen und Italiener mit 0,27 einen niedrigen Segregationsindex auf makroregionaler Ebene auf und verteilen sich landesweit insgesamt sehr ausgewogen, abgesehen von einigen verstärkten Gruppierungen in den Regionen Tessin, Genfersee und der Nordschweiz.
Ein kantonales Schema, das sich von den Erkenntnissen auf nationaler Ebene unterscheidet
Die Resultate verändern sich, wenn die Segregation auf kantonaler Ebene und mithilfe einer feineren Skala – auf der Basis der nächsten 10’000 Personen – gemessen wird (siehe Abbildung 3). In den Diagrammen geben die Farben den Segregationsindex an: von Dunkelblau für die niedrigste Segregation bis Dunkelrot für die höchste Segregation. Auf Kantonsebene wird eine bestimmte Nationalität durch ein Quadrat proportional zur Bevölkerungszahl repräsentiert.
Die Verteilung der verschiedenen Nationalitäten nach Kantonen ist sehr gegensätzlich: Deutsche und französische Staatsangehörige sind vor allem in den jeweiligen Sprachregionen ansässig. Während sich Personen aus Portugal vorwiegend in den französischsprachigen Kantonen aufhalten, sind die Türkinnen und Türken hauptsächlich in den deutschsprachigen Kantonen anzutreffen. Personen aus Italien sind hauptsächlich im Tessin und in Zürich ansässig. Was die Personen aus Nordamerika betrifft, so lebt mehr als die Hälfte von ihnen in den drei Kantonen Zürich, Waadt und Genf. Diese Profile lassen sich sowohl durch die sprachliche Nähe als auch durch die beruflichen Möglichkeiten in den verschiedenen Kantonen erklären.
Die Abbildung zeigt im Falle der französischen Staatsangehörigen, dass sich das hohe Mass der Segregation auf nationaler Ebene auf Kantonsebene mit Ausnahme von Zürich und Bern nicht bestätigt. Mit anderen Worten: die Französinnen und Franzosen sind zwar nicht gleichmässig über die ganze Schweiz verteilt, aber sie zeigen im Gegenzug dazu nur eine schwache Konzentration innerhalb der Kantone. Allgemeiner gesagt, weisen deutsche und italienische Staatsangehörige in den meisten Kantonen ein geringes Mass an Segregation auf. Es lassen sich jedoch einige recht hohe Indizes vor allem im Wallis beobachten (mit einem Index von 0,5 für die deutschen und zwischen 0,4 und 0,5 für die italienischen Staatsangehörigen). Diese Segregation lässt sich wahrscheinlich durch die Ansiedlung dieser Bevölkerungsgruppen in bestimmten touristischen Gemeinden sowie in städtischen Zentren erklären. Es ist auch zu beobachten, dass die Segregation nicht mit der Bevölkerungszahl der Kantone zusammenhängt.
Portugiesische und türkische Staatsangehörige haben einen durchschnittlichen Segregationsindex auf regionaler Ebene, weisen jedoch innerhalb fast aller Kantone hohe Segregationsindizes auf. Diese Bevölkerungsgruppen zeichnen sich im Durchschnitt durch ein eher niedriges Bildungsniveau aus (siehe Tabelle 1). Diese starke Segregation könnte durch den schwierigen Zugang zum Wohnungsmarkt in bestimmten Stadtvierteln oder wohlhabenden Gemeinden und durch eine Konzentration in Vierteln mit relativ preisgünstigem Wohnraum erklärt werden. Es handelt sich demzufolge um eine Segregation, die mit der sozialen Schicht zusammenhängt. Das hohe Mass an Segregation, das bei nordamerikanischen Staatsangehörigen zu beobachten ist, entspricht einer entgegengesetzten Logik. Die in der Schweiz lebenden Nordamerikanerinnen und Nordamerikaner bilden eine hoch qualifizierte Bevölkerungsgruppe mit einem relativ hohen Durchschnittseinkommen und sind häufig in den Wirtschaftszentren präsent, in denen sich die Hauptsitze multinationaler Unternehmen befinden, zum Beispiel in der Genferseeregion, in Zürich oder in Basel-Stadt. Diese Gruppe hat Zugang zu teureren Wohnungen in unmittelbarer Nähe ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in den dynamischsten städtischen Zentren.
Neben dem Wallis zeichnet sich auch der Kanton Bern durch eine generell hohe Segregation aus, unabhängig von der Nationalität. Dies erklärt sich durch die Attraktivität der Stadt Bern und des Bezirks Biel, aber auch durch bestimmte Tourismusgemeinden mit einem hohen Ausländeranteil, wie z. B. die Region Interlaken. Deren Situation kontrastiert mit dem geringen Ausländeranteil in anderen, eher peripheren Regionen des Kantons Bern wie dem Emmental oder dem Bezirk Thun steht. Die Kantone Genf, Waadt und das Tessin weisen im Allgemeinen niedrige Segregationsindizes auf. Für diese Kantone können der hohe Ausländeranteil und eine soziale Durchmischung das niedrige Niveau der kantonalen Segregation erklären, da die Segregation spezifisch eine kleine Anzahl hoch qualifizierter Gruppen (wie z. B. Nordamerikanische Personen) betrifft.
Schlussfolgerungen: Erkenntnisse für die Migrationspolitik
Unsere Analysen zeigen erstens, dass der Grad der Segregation grösser ist, wenn er auf nationaler und nicht auf lokaler Ebene berechnet wird. Es gibt also eine grössere räumliche Differenzierung zwischen Regionen des Landes als zwischen Gebieten innerhalb derselben Region. Dieses Ergebnis hängt mit den Besonderheiten der Schweiz zusammen, deren Territorium vier Sprachregionen, flache und gebirgige Gebiete, eine Mischung aus ländlichen und städtischen Gemeinden und relativ vielfältige wirtschaftliche Aktivitäten umfasst. Diese Vielfalt lenkt die unterschiedlichen Nationalitäten in bestimmte Kantone, was zu einem relativ hohen Grad an Segregation führt. Die Tatsache, dass die Indizes auf kantonaler Ebene abnehmen, deutet darauf hin, dass die Segregation nicht so hoch ist, wenn homogenere Gebiete berücksichtigt werden. Zudem lässt das Fehlen einer systematischen Beziehung zwischen dem sozioökonomischen Niveau der Ausländergruppen und dem Grad der Segregation darauf schliessen, dass in der Schweiz ein Mix besteht, was Herkunft und soziale Schicht betrifft. Diese Ergebnisse widerlegen zwar nicht die Hypothese diskriminierender Praktiken auf der Ebene von Wohnungen, Gebäuden oder Stadtvierteln, legen aber nahe, dass solche Praktiken nicht zu einer systematischen Segregation führen.
Die kantons- und länderübergreifenden Analysen zeigen jedoch, dass die Segregation in den beiden Gruppen am stärksten ausgeprägt ist, die hinsichtlich der sozialen und finanziellen Ressourcen an den Extrempunkten liegen: die Staatsangehörigen aus der Türkei und Nordamerika, und zwar in praktisch allen Kantonen. Die Nordamerikanerinnen und -amerikaner scheinen sich freiwillig auf die Wirtschaftszentren zu konzentrieren, in denen die lukrativsten beruflichen Möglichkeiten zu finden sind. In Bezug auf die Migrantinnen und Migranten aus der Türkei kann man sich fragen, ob es Netzwerkeffekte gibt, die möglicherweise neue Mitglieder dazu bringen, sich in der unmittelbaren Umgebung der Diaspora anzusiedeln. Diese Ergebnisse werfen auch Fragen zu möglichen diskriminierenden Praktiken auf dem Wohnungsmarkt auf, die für bestimmte Minderheiten spezifisch sind.
Dieser Artikel zeigt auch aus methodologischer Sicht, dass sich die Messung der beobachteten Segregation zwischen der kantonalen und der nationalen Ebene erheblich unterscheidet. Die Schlussfolgerungen, die aus den Ergebnissen gezogen werden können, sind daher je nach gewählter Messskala sehr unterschiedlich.
Aus migrationspolitischer Sicht wird die Frage der räumlichen Verteilung von Migrantengruppen in der Regel ausgeklammert, mit Ausnahme der bundesstaatlichen Verteilungspraxis für Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Diese Frage sollte jedoch eher auf regionaler oder gar lokaler als auf nationaler Ebene behandelt werden, da sich auf diesen Ebenen die konkreten Fragen im Zusammenhang mit der Bildung gemischter oder selektiver Stadtviertel stellen. In dieser Hinsicht weist unsere Studie den Weg zu einer genaueren Analyse der Konzentrationssituationen, insbesondere in den Kantonen Wallis und Bern. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die beobachteten Konzentrationen auf die wirtschaftlichen und räumlichen Gegebenheiten der Kantone zurückzuführen sind oder ob sie das Ergebnis diskriminierender Praktiken sind.
[1] Umfassendere Informationen über methodologische Aspekte, intrakantonale Segregation und die Entwicklung der Segregationsindizes über einen Zeitraum von einem Vierteljahrhundert finden sich in einem Forschungsbericht, der im Rahmen der Aktivitäten des nccr – on the move (Zufferey, 2019) erstellt wurde.
[2] Weitere Ergebnisse für andere Regionen der Welt sind in Zufferey (2019) verfügbar.
[3]Die Standortanalysen wurden mit einer spezifischen Software (equipop, vgl. Östh, 2012) durchgeführt, der Rest der Analysen wurde mit R Software erstellt (R Core Team 2017).
[4] In diesem Ansatz wird die Distanz zwischen einer Person und ihren Nachbarn berücksichtigt und es werden Nachbarn eingeschlossen, die möglicherweise in anderen Kantonen wohnen. Für die Analyse, die für die Schweiz als Ganzes durchgeführt wird, werden jedoch nicht die in anderen Ländern ansässigen Nachbarn berücksichtigt.
[5] Duncans Dissimilaritätsindex, zitiert von Christopher (1992).
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