Die Nachfrage nach IT-Kenntnissen auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt 1990-2019

N°24, Dezember 2020
Marlis Buchmann, Helen Buchs & Ann-Sophie Gnehm (Universität Zürich),

December 14, 2020
How to cite this article:

M. Buchmann, H. Buchs & A. S. Gnehm (2020). Die Nachfrage nach IT-Kenntnissen auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt. Social Change in Switzerland, N°24. doi: 10.22019/SC-2020-00008

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Zusammenfassung

Mit der fortschreitenden Digitalisierung nehmen in der Schweiz die Anforderungen bezüglich IT-Kenntnisse auch in Berufen ausserhalb des Informatikbereichs zu. So verlangten 2019 44 Prozent der zu besetzenden Stellen IT-Kennnisse, während dies zu Beginn der 1990er Jahre kaum der Fall war. Die Berufe unterscheiden sich allerdings stark darin, welche Typen von IT-Kenntnissen, in welchem Masse und zu welchen Zeitpunkten von Betrieben nachgefragt werden. Diese Erkenntnisse beruhen auf der Analyse von mehreren zehntausend Stelleninseraten (Stellenmarkt-Monitor Schweiz) der letzten dreissig Jahre (1990-2019), die für den Schweizerischen Arbeitsmarkt repräsentativ sind. Wenn Betriebe IT-Kenntnisse ausserhalb des Informatikbereichs verlangen, zahlen sie dafür auch zusätzlichen Lohn. Dies aber nur dann, wenn der nachgefragte Typ von IT-Kenntnissen für einen Beruf neu und somit noch nicht Bestandteil des beruflichen Qualifikationsprofils ist. Zum Beispiel zahlen Betriebe Technikern und Technikerinnen im Jahr 2019 rund 87 CHF monatlich bei einer Vollzeitbeschäftigung zusätzlich aufgrund ihrer Nachfrage nach Kenntnissen für Tools wie CAD. Sind dagegen bestimmte Typen von IT-Kenntnissen bereits ein integraler Bestandteil eines Berufes wie beispielsweise CAD-Kenntnisse in Architektur-Berufen, bezahlen Betriebe für eine erhöhte Nachfrage keinen zusätzlichen Lohn. Denn die entsprechenden Qualifikationen sind dann wohl im berufstypischen Lohn bereits einberechnet.


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Einleitung

Die digitale Transformation der Wirtschaft, Arbeits- und Berufswelt ist ein besonders markanter Aspekt des sozi­a­len Wandels in der Schweiz. Digitale Technologien, womit Informations- und Kom­mu­nikationstechnologien (IT) gemeint sind, haben in den letzten Jahren in den verschiedensten Wirtschaftszwei­gen Einzug gehalten. Das Ausmass und die Geschwin­digkeit der digitalen Transforma­tion wie auch die digitalen Anwendungen unterscheiden sich allerdings stark zwischen den Branchen (FHS St. Gallen 2019). Während sich die Digitalisie­rung im industriellen Bereich als digitale Fertigung manifestiert und die IT-gestützte Vernet­zung aller Prozessschritte umfasst, äussert sie sich im Dienstleistungsbereich vor­wiegend als digitales Datenmanagement. Im Handel kommen Online-Shops und digitale Zahlungssys­teme zur Anwendung und im Gastgewerbe sind es Buchungs­plattfor­men (FHS St. Gallen 2019).

Den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnolo­gien ist eines gemeinsam: Sie haben Auswirkungen auf die Arbeits- und Berufswelt. Die Automatisie­rung von Arbeitsprozessen macht berufliche Qualifikationen für die Ausübung von mittler­weile au­tomati­sierten Tätigkeiten obsolet, womit einzelne Berufe an Bedeutung verlieren oder in der ferneren Zukunft verschwinden könnten (Frey and Osborne 2013). In der Schweiz ist beispielsweise der Anteil an ausge­schriebenen Stellen für kaufmännische und administrative Berufe seit Mitte der 1990er Jahre von rund 15 auf 8 Prozent zurückgegangen.[1]

Umgekehrt ist die Anzahl von Personen mit Ausbildungsab­schlüssen in Berufen des Informa­tikbereiches Ende der 1990er Jahre und zu Beginn der 2000er Jahre in der Schweiz sprung­haft angestiegen. Dies betrifft insbesondere die be­rufliche Grundbildung, aber auch die Tertiär­ebene (BfS 2019). Nach einer zwischen­zeitlichen Ab­schwä­chung steigen die Abschlüsse seit 2010 bis heute wieder an, allerdings etwas we­niger mar­kant als früher (BfS 2019).

Viel bedeutsamer dürfte aber der Wandel von Arbeitsmo­dellen und Tätigkeitsfeldern inner­halb von Berufen sein, die nicht dem Informatikbereich angehören (Curtarelli et al. 2016). Dafür wer­den neue Qualifikationen gebraucht, insbe­sondere auch verschiedene Arten von IT-Kenntnissen. So werden beispielsweise für Berufe in der Verwaltung SAP-Kenntnisse nachgefragt oder im Verkauf werden Kenntnisse zur digitalen Erfassung von Aufträgen oder Bestandsänderungen gefordert. Die grosse Bedeutung der Ver­änderung von beruflichen Qualifikationen im Zuge der Digitalisierung zeigt sich unter anderem darin, dass mehr als ein Drittel der 2018 in der Schweiz befragten KMUs angab, die fehlende Kompetenz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stelle eine grosse Herausforde­rung der Digitalisierung dar (FHS St. Gallen 2019). Allerdings sind In­formationen dar­über, wie die Digi­talisierung in Berufen ausserhalb des Informatikbe­reichs Einzug gehalten hat und wie sie die Qualifi­kationsprofile solcher Berufe verändert, äusserst spärlich (Atalay et al. 2020; Bessen 2016; Bisello et al. 2019; Deming & Kahn 2018).

Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag der Frage, welche IT-Kenntnisse Arbeitgeber für die Aus­übung von Tätigkeiten in verschiedenen Beru­fen ausserhalb des Informatikbereichs verlangen. Ebenso wird der Frage nachgegangen, wie schnell und wie einge­hend neue Informations- und Kom­munikations­tech­nologien in ver­schiedene Berufe eingedrungen sind und so das berufliche Qualifikati­onsprofil verändert haben. Da IT-Kennt­nisse zusätzliche Qualifikationsele­mente in einem Beruf darstellen, taucht auch die Frage auf, ob sich solche neuen qualifikato­rischen Bestandteile lohn­mässig aus­zahlen.

Die aufgeworfenen Fragen beantwortet der vorliegende Beitrag, indem er die Entwicklung der Nach­frage nach verschiedenen IT-Kenntnissen im Schweizerischen Arbeitsmarkt und in ausge­wählten Berufen in den letz­ten dreissig Jahren (1990-2019) nachzeichnet. Diese Entwicklungen aus der Per­spektive der Arbeitge­ber zu untersuchen, ist besonders vielversprechend. Arbeitgeber sind nahe am Geschehen, ha­ben sie doch Arbeitsstellen zu besetzen, deren Tätigkeitsprofil IT-Qualifikationen er­for­dern. Die Be­trach­tung aus dem Blickwinkel der Arbeitgeber hat darüber hinaus den Vorteil, IT-Kenntnisse zu erfas­sen, die an Arbeitsplätzen tatsächlich benötigt wer­den. Informationen über IT-Kompetenzen, die bei Er­werb­stä­tigen erhoben werden, reflektieren näm­lich nur, was diese können, aber nicht, ob diese Kennt­nisse am Arbeitsplatz benö­tigt werden. Zwischen den IT-Qualifikationen, die Unternehmen benötigen und den­jenigen, über die Er­werbstä­tige verfügen, kann unter Umstän­den eine grosse Diskrepanz bestehen (Buchs & Buchmann 2017). Die Sicht der Arbeitgeber wurde trotz ihrer Vorteile mangels geeigne­ter Da­ten bis­lang kaum in Betracht gezogen.

Stelleninserate als ideale Datenquelle

Eine geeignete Datenquelle, um die Entwicklung der Nachfrage nach IT-Kenntnissen zu verfolgen, sind Stelleninserate. Diese enthalten präzise und detail­lierte Informationen über die IT-Kenntnisse, die zur Erledigung der Arbeitsaufgaben relevant sind (Buch­mann et al. 2020). Inserierende Unternehmen wollen damit sicherstellen, dass sich keine Personen bewerben, die über diese Kenntnisse gar nicht oder nur ungenügend verfügen. Gerade bei den sich schnell wandelnden digitalen Tools werden Unternehmen in den Inseraten Kenntnisse von spezifischen oder neuen Programmen sowie erweiterte Kenntnisse etablierter Tools nachfragen. Dagegen erwähnen Inserate aber oft jene Kenntnisse nicht, von denen sie erwarten, dass die Bewerbenden ohnehin über sie verfügen. Die in den Inseraten erwähnten Kenntnisse entsprechen somit dem, was Unternehmen suchen.

Die Daten zu den Stelleninseraten, die diesem Beitrag zugrunde liegen, stammen vom Stel­len­markt-Moni­tor Schweiz (SMM) (www.stellenmarktmonitor.uzh.ch). Der SMM ist am Soziologischen Institut der Universität Zürich angesiedelt und verfolgt das Ziel, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Stellenmarkt systematisch zu erweitern und zu einer verbesserten Arbeitsmarkttransparenz beizutragen. Die Daten gehen zurück bis 1950 und ba­sieren auf jährlichen repräsentativen Zufallsstichproben von mehr als 4000 Stelleninsera­ten, die in al­len wichtigen Medienkanälen – Presse, Webseiten von Firmen und Online-Portale – pu­bliziert wur­den. In diesen drei Kanälen werden rund 70 Pro­zent aller of­fenen Stellen veröffentlicht (Buchs & Buchmann 2018) und sie decken alle Ty­pen von Firmen und Berufen ab. Die Daten sind zudem ein sensibles Mass für den Per­sonalbe­darf von Unternehmen und eignen sich deshalb, die Nachfrage nach beruflichen Qualifikatio­nen hin­sicht­lich Umfang und Zusammensetzung zu messen.

Typologie von IT-Kenntnissen

Die in Inseraten vorhandenen Informationen zu gesuchten IT-Qualifikationen bieten gute Voraussetzung für die Entwicklung einer aussagekräftigen Typolo­gie von IT-Kennt­nissen. Die in der Literatur bislang üblichen Klassifikationen sind eher wenig auf­schluss­reich. Sie be­ruhen meistens auf Befragun­gen von Erwerbstätigen, die auf der Basis einiger weniger vor­definierter Kategorien von IT-Kennt­nissen angeben, ob sie diese an ihrem Arbeitsplatz benötigen (z.B. OECD 2016).

Für diesen Beitrag wurde auf Basis der SMM-Daten eine differenzierte Konzeptualisierung von IT-Kenntnissen ent­wi­ckelt. Sie misst solche Kompetenzen direkt auf Ebene einzelner Arbeits­stellen, in jährlichem Rhyth­mus und in Lang­zeit­perspek­tive. Dazu wurde die Methode der automati­schen Ex­traktion von Information aus Texten ver­wen­det (Buchmann et al. 2020). Unseres Wissens ist sie die erste Typologie, die Verweise auf IT-Kenntnisse in Stelleninseraten umfassend abdeckt. Die Extraktion unterscheidet zwischen Tools (z.B. JavaScript, 3D-CAD-Soft­ware, Database Sys­tem), Tätigkeiten mit diesen Tools (z.B. an­wenden, entwi­ckeln, unter­stüt­zen) und dem Niveau der Fähigkeiten zur Ausführung dieser Tätigkei­ten (z.B. mindes­tens drei Jahre Er­fahrung). Im Folgenden beschränken wir uns auf die Darstellung der Typologie mit Blick auf Kenntnisse von IT-Tools. Dabei wurden fünf Ty­pen von IT-Kennt­nissen unter­schie­den.[2] Diese sind:

  • Kenntnisse von IT zur Steuerung von Unternehmen, bei­spiels­weise in den Bereichen Human Re­sources, Buchhaltung, Finanzen oder Lagerhaltung (z.B. SAP).
  • Kennt­nisse von bran­chen­spezifischer IT, die sich auf die digitale Unter­stützung von typischen Ar­beitslabläufen und Aufgaben in einzel­nen Bran­chen bezie­hen (z.B. computer–aided design (CAD), computerized numerical control (CNC), banking software, pa­tient data management).
  • Kenntnisse von Ent­wick­lungs- und System-IT, mit denen IT-Applikationen generiert oder geändert werden können (z.B. C++, javascript, SQL, SCCM).
  • Kenntnisse von Inhalt erzeugender und Inhalt verändern­der IT (Content Management Software wie z.B. MS Office, Photoshop, Moodle). Solche IT-Kenntnisse werden in der Literatur oft unter dem Begriff der ‘digital literacy’ gefasst (Baw­den 2016).
  • Kenntnisse von Netzwerk-IT zur Informa­ti­onsbeschaf­fung (z.B. Webbrowser; Gene­rierung und Ma­nagement von Netzwerken wie Novell Net­ware oder Citrix).

Nachfrage nach verschiedenen Typen von IT-Kenntnissen, 1990-2019

Die Abbildung 1 zeigt die Entwicklung in der Nachfrage nach den fünf verschiedenen Typen von IT-Kennt­nis­sen für alle Berufe ausserhalb des Infor­matikbereiches seit den frühen 1990er Jah­ren bis 2019. [3] Die hori­zontale Axis bildet die Zeit ab; die vertikale Achse bezieht sich auf den pro­zen­tualen Anteil der Stelleninserate, in denen die jeweiligen IT-Kenntnisse verlangt werden.

Zuerst einmal ist festzuhalten, dass die Nachfrage nach allen fünf Typen von IT-Kenntnissen seit den frühen 1990er Jahren gestiegen ist, allerdings in unterschiedlichem Masse. In der Summe zeigt sich, dass 2019 in 44 Prozent der Stelleninserate mindestens ein spezifischer Typ von IT-Kennt­nissen verlangt wird, während dies anfangs der 1990er Jahre noch kaum der Fall war.

Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Nachfrage nach Kenntnissen von Inhalt erzeugender und Inhalt verändern­der IT stark angestiegen und schei­nt auch 2019 noch nicht den Wendepunkt erreicht zu haben. Im Gegensatz dazu ist der Bedarf nach Kenntnis­sen von Netzwerk-IT in viel bescheidene­rem Masse angestiegen, obwohl die einfache­ren Kenntnisse dieser Tools unter anderem E-Mail-Pro­gramme oder die Informationsbeschaffung mittels Recherchen im Internet einschliessen. Die Nach­frage nach Kenntnissen von IT zur Steuerung von Unternehmen steigt relativ stark in der ersten De­kade des 21. Jahr­hunderts und flacht im folgenden Jahrzehnt ab. Kenntnisse von branchen­spezi­fischen IT-Werk­zeugen werden im be­trach­teten Zeitraum unterschiedlich nachgefragt. Die von Ar­beitgebern verlang­ten Kenntnisse von Ent­wick­lungs- und System-IT, welche anspruchsvolle IT-Kennt­nisse bein­hal­ten und den Quali­fikatio­nen in den Informatikberufen am Nächsten kommen, sind in den 1990er Jah­ren stärker angestiegen als in den ersten beiden Dekaden des 21. Jahrhunderts.

Bedeutung von IT-Kenntnissen in ausgewählten Berufen

Im Folgenden zeigen wir für einige aus­gewählte Berufe auf, ab wann und in welchem Ausmass Betriebe Qualifikationen im Umgang mit den verschiedenen Typen von IT verlangten. Es handelt sich um Buchhaltungsberufe, Verkaufsberufe, Architekt/in, technische Berufe, kaufmännische und Büroberufe sowie Montageberufe. Diese Berufe sind dabei so gewählt, dass die jeweils fokussierte IT-Qualifika­tion früh und häufig oder aber spät und noch selten in Stelleninseraten erwähnt wird. Abbildung 2 zeigt für drei Ty­pen von IT-Kennt­nissen und jeweils zwei ausgewählten Berufen den Anteil an Stellenin­seraten, in welchen Betriebe die jeweilige Qualifikation als Anforde­rung für die Stelle erwähnen.[4] Die hori­zontale Axis bildet die Zeit ab; die vertikale Achse bezieht sich auf den pro­zen­tualen Anteil der Stelleninserate, in denen die jeweiligen IT-Kenntnisse verlangt werden.

Qualifikationen im Bereich der IT zur Steuerung von Unternehmen verlangen Arbeitgeber für Stellen in diversen Berufen wie beispielsweise in technischen Berufen (z.B. für die Erfassung von Be­ständen) oder in fast allen Büroberufen. Diese IT-Kenntnisse sind somit nicht an bestimmte Berufe gebunden, sondern breit einsetzbar. Ein typisches Berufsbeispiel für eine frühe und massive Digitali­sierung betreffend IT zur Unternehmenssteuerung stellen Buchhalterinnen und Buchhalter dar. Diese beschäftigen sich vor allem mit den betrieblichen Finanzen wie der Prüfung und Verbu­chung von Geschäftsvorfällen oder Transaktionen von Kunden. In diesem Beruf verlangten Betriebe in der Schweiz bereits Mitte der 1990er Jahre in knapp 10 Prozent der Stellenausschreibungen Kenntnisse im Umgang mit IT zur Steuerung von Unternehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Buchhalterinnen und Buchhalter damit wohl noch nicht sehr vertraut, da die Digitalisie­rung ihres Berufs gerade erst begonnen hatte. Der Inseratenanteil in den Buchhaltungsberufen, die IT-Qualifikationsanforderungen erwähnten, nahm danach laufend zu und er­reichte im Jahr 2017 rund ein Drittel der Stelleninserate. Es ist anzunehmen, dass heutzu­tage bei­nahe alle Buchhalter und Buchhalterinnen entsprechende IT bei ihrer Ar­beit ein­setzen. Auch kleinere Betriebe können die Digitalisierung ihrer Geschäftsführung kaum mehr umge­hen (FHS St. Gallen 2019). Weil der Umgang mit genannter IT für den Buchhaltungsberuf aber so üblich geworden ist und auch fast alle Berufsleute durch die Berufsausbildung über ent­sprechende Qualifikationen verfügen, erwäh­nen sie viele Betriebe nur in den Stellenausschrei­bun­gen, wenn sie beispielsweise spezifische Pro­gramme oder erweiterte Kenntnisse betreffen.

Im Ge­gensatz zur Buchhaltung sind Verkaufsberufe ein Beispiel für eine späte und zö­gerli­che Digitalisierung durch IT zur Steuerung von Unternehmen. Dabei verlangen Betriebe entspre­chende, für das Verkaufspersonal noch neue Qualifi­kationen vor allem bei Stellen im Verkaufs-Innen­dienst, wo seit der Jahrtausendwende immer öfter Aufträge und Bestandsänderungen digital erfasst werden müssen.

Qualifikationen im Bereich der branchenspezifischen IT verlangen Arbeitgeber oft für Arbeits­stellen in technischen und gestalterischen Berufen sowie in den Ingenieursberufen. Dabei bleibt die betriebliche Nachfrage nach diesen Qualifikationen bei Arbeitsstellen mit tieferen Ausbildungsanfor­derungen gering, während sie bei höheren Ausbildungsanforderungen eher gross ist (Buchmann et al. 2020). Architekt/in ist ein typischer Beruf mit früher und starker Nachfrage nach bran­chenspezifischer IT. Architektinnen und Architekten planen und konstruieren heute routinemässig Bauten mithilfe von CAD (computer-aided design). Architekturausbildungen beinhal­ten denn auch die Aneignung von Kompetenzen im Umgang mit solcher IT. Vor der Jahrtau­send­wende war die betriebliche Nachfrage nach branchenspezifischer IT in den Architekturberufen dage­gen noch gering, weil bis dahin handgefertigte Pläne massgeblich waren. Im Gegensatz zu den Architekturberufen verlangen Betriebe bei vergleichsweise wenigen Stel­len für Techniker und Technikerinnen nach Kompetenzen in branchenspezifischer IT. Technische Berufe sind damit ein typisches Beispiel für eine zögerliche Digitalisierung.

Elementare Qualifikationen im Umgang mit Inhalt erzeugender und Inhalt verändernder IT (Content Management Software) ge­hören heutzutage zur Digital Literacy. Personen, die digitale Me­dien in ihrem Lebens- oder Arbeitsall­tag antreffen, müssen diese Werkzeuge zu einem gewissen Grad kennen (z.B. OECD 2016). Die ent­sprechenden Werkzeuge durchdringen denn auch viele Berufe. Besonders typisch ist die Anwendung von Content Management Software jedoch in kaufmännischen und Büroberufen. Zu den Hauptaufgaben in diesen Berufen gehören Administration und die Organisation von betrieblichen Prozessen. Dazu sind Basiskompetenzen im Umgang mit der Software MS-Office (z. B. Word und Excel) unumgänglich. Die Digitalisierung in diesem Bereich begann bereits in den frühen 1990er Jahren. Im Jahr 1990 wurde MS-Office auf den Markt gebracht. Ab diesem Zeitpunkt durchdrang Content Management Software die betriebliche Administ­ration und Organisation zunehmend. Entsprechend stieg auch der Anteil der Stelleninserate in den kaufmänni­schen und Büroberufen mit Erwähnung von Anforderungen an entsprechende Kompeten­zen von rund 5 Prozent Anfangs der 1990er Jahre auf über 35 Prozent im Jahr 2019 an. Oft nennen Betriebe IT-Qualifikationen in Inseraten, weil die für die Stelle erforderlichen Kenntnisse höher liegen, als was in der Ausbildung erlernt wird. Aber nicht in allen Berufen ist die entsprechende IT so bedeutsam, weil digitale Medien nicht zwingend zum Arbeitsalltag gehören. Ein typisches Beispiel für einen von dieser Art der Digitalisierung schwach betroffenen Bereich, sind die Montageberufe. Erst nach der Jahrtausendwende begannen Betriebe für diese Berufe nach Qualifika­tionen für Content Management Software zu fragen und bis 2017 erreichte der entspre­chende Inseratenanteil weniger als 5 Prozent. Der steile Anstieg nach 2017 ist schwierig zu interpretieren. Vor allem von Monteuren und Monteurinnen, welche auch Offerten erstellen müssen, verlangen Betriebe diese Qualifikationen.

Zahlt sich die Nachfrage nach IT-Kenntnissen lohnmässig aus?

Unsere Auswertung der Stelleninserate zeigt, dass IT-Kenntnisse für bestimmte Berufe ausserhalb des Informatikbereichs schon lange und stark nachge­fragt werden, während die diesbezügliche Nachfrage in anderen Berufen spät ein­setzte und schwächer war. Wir gehen davon aus, dass in Berufen ausserhalb des Informatikbereichs, die schon früh und stark von der Digitalisierung be­troffen waren, die verlangten IT-Kenntnisse zu einem integralen Be­standteil des beruflichen Quali­fi­kationsbündels geworden sind. Dies bedeutet, dass gewisse Kenntnisse der entsprechenden Tools für die Ausübung des Berufs grundlegend sind. In Berufen hingegen, wo die Digi­ta­li­sierung noch schwach ist, stellen nachgefragte IT-Kompetenzen ein neues Element im beruflichen Qualifikationsprofil dar (Buchmann et al. 2020). Die entsprechenden Qualifikationen sind somit nur für einen kleinen Teil der Arbeitsstellen in diesen Berufen erforderlich. Wenn IT-Kenntnisse in einem Be­ruf neu sind, dürf­ten diese Qualifikationen bei den entsprechenden Berufsleuten noch nicht sehr verbreitet sein. Ar­beit­ge­ber, die solche noch eher raren Qualifikationen nachfragen, dürften daher geneigt sein, in den ent­sprechenden Berufen einen etwas höheren Lohn zu bezahlen. Damit können sie sich einen Vorteil bei der Rekrutierung von Berufsleu­ten verschaffen, die solche Qualifikationen bereits mitbringen. Zu­dem bieten sie einen Anreiz für die entsprechenden Berufsleute, sich solche IT-Kenntnisse anzueig­nen. Ge­mäss diesen Überlegungen er­warten wir, dass die in einem Beruf neu eingeführten IT-Kennt­nisse mit erhöhter Entlohnung ein­her­gehen, wäh­rend dies bei IT-Kenntnissen, die schon in das be­rufliche Qualifika­tions­bündels integriert sind, nicht der Fall ist (Buchmann et al. 2020).

Wir berechnen folglich, wie stark sich die berufliche Nach­frage nach jeweils bestimmten IT-Kenntnisse im Lohn nie­derschlägt. Somit zielt unsere Analyse auf die Bedeutung der betrieblichen Nachfrage nach bestimmten IT-Qualifikationen in den ausgeübten Berufen ab und nicht, welche individuellen IT-Qualifikationen die Arbeitnehmenden mitbringen. Die Lohnberechnungen beruhen auf Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE). Die SAKE ist eine repräsentative Personenbefragung, die seit 1991 jährlich vom Bundesamt für Statistik (BFS) durchgeführt wird und enthält alle hier wichtigen Angaben zur Person und der Erwerbstätigkeit. Die benutzte Lohnvariable erfasst den Lohn als kategorisierten Bruttostundenlohn. Die Modelle unterscheiden für jeden Typ von IT-Kenntnissen, ob die IT-Qualifikation ein in­teg­raler Bestandteil im beruflichen Qualifikationsbündel ist (mehr als 10 Prozent der Inserate verlangen nach diesem Typ von IT-Qualifikation) oder ein neues Element darstellt (maximal 10 Prozent der Inserate verlangen nach diesem Typ von IT-Qualifikation). Die Berechnun­gen berücksichtigen auch die betriebliche Nachfrage nach einer Reihe weiterer Qualifikationen (d.h. Aus­bil­dungsniveau, persönliche und soziale Kompetenzen), sonstige Eigenheiten des Be­rufsfelds, persönliche Eigen­schaften (d.h. Alter, Geschlecht, Ausbildung, Berufserfahrung), die berufliche Position (d.h. Füh­rungsposition, Arbeitsumfang), Firmeneigenschaften (d.h. Firmen­grösse, Branche, Arbeitsort) und das Jahr. Diese Faktoren können den Lohn nämlich auch beeinflus­sen und nur durch ihre Kontrolle kann der Lohn­bestandteil ermittelt werden, der auf die Nachfrage nach bestimmten IT-Typen zurückgeführt werden kann.

Abbildung 3 zeigt, wie hoch der Zusatzlohn für die Nachfrage nach drei Typen von IT-Qualifikationen (vertikale Achse) in den jeweiligen Zeitperioden (horizontale Achse) etwa ist. Der auf der vertikalen Achse angegebene Betrag bezieht sich auf eine im Vergleich zu anderen Berufen gesteigerte Nachfrage um 10 Prozent. Eine Zusatzentlohnung von 1 CHF pro Stunde entspricht gut 170 CHF monatlich bei einer Vollzeitbeschäftigung zu 40 Wochenstunden.

Die Ergebnisse bestätigen mehrheitlich die Annahme, dass alle Typen von IT-Kenntnisse nur dann zu einem höheren Lohn (d.h. Zusatzentlohnung) führen, wenn sie einen neuen Bestandteil des beruflichen Qualifikationsbündels dar­stel­len. Sind sie dagegen bereits ein integraler Bestandteil, bezahlen Betriebe dafür keinen zusätzli­chen Lohn, weil die entsprechenden Qualifikationen dann wohl im berufstypische Lohn einberech­net sind. Die Zusatzentlohnung für IT zur Steuerung von Unternehmen in Berufen, wo Firmen diese zum Messzeitpunkt erst seit kurzem nachfragen, war besonders zu Beginn der 2000er Jahre mit bis zu 4 CHF pro Stunde hoch und nahm da­nach ab. Im Jahr 2011 betrug die Zusatzentlohnung in Verkaufsberufen, wo rund 3.3 Prozent der Inserate Angaben zu diesem Typ von IT-Kenntnissen enthielten, also etwa 12 Rappen pro Stunde.

Die Nachfrage nach branchenspezifischer IT in Berufen, wo diese ein neues Qualifi­kationsele­ment darstellt, generiert über die gesamte Zeitperiode hinweg ungefähr dieselbe Zusatzentloh­nung von rund 1 CHF pro Stunde. In technischen Berufen lag die Nachfrage nach Kenntnissen dieser Tools im Jahr 2019 bei 6.1 Prozent, womit die Zusatzentlohnung pro Monat etwa 87 CHF entspricht. Einzig in den Krisenjahren um 2008 bis 2011 ist die Zusatzentlohnung für die Nachfrage nach branchenspezifischer IT gering, weil dann die Betriebe vermutlich nicht in der Lage waren, diesen Lohnbestandteil zu bezahlen. Die Nachfrage nach Inhalt erzeugender und Inhalt verar­beitender IT in Berufen mit zögerlicher Digitalisierung in diesem Bereich führt zur kleinsten Zusatzentlohnung und liegt in einigen Jahren nahe bei null. Die geringe Entlohnung für diese IT-Qualifikationen hängt wahr­scheinlich damit zusammen, dass diese teilweise zur «digital literacy» gehören und ihr Erwerb im Vergleich zu anderen Typen von IT-Qualifikationen einfacher ist. Nichtsdestotrotz konnten Beschäftigte in Montageberufen im Jahr 2019 aufgrund der Nachfrage von 9.4 Prozent einen Lohnzusatz von rund 47 Rappen (monatlich etwa 80 Franken) verbuchen.

Schlussfolgerungen

Diese Studie leistet mehrere Beiträge zum besseren Verständnis der digitalen Trans­forma­tion des Arbeitsmarktes und der Berufe in der Schweiz. Erstens ermöglicht die Entwicklung einer daten­basier­ten Typologie von IT-Kenntnissen, die von Arbeitgebern für die Ausführung von beruflichen Tä­tigkeiten verlangt werden, einen genaueren Einblick, welche IT-Qualifikationen in Berufen aus­serhalb des Infor­matikbereichs tatsächlich gesucht werden. Zweitens zeigt die Studie, dass die Digitalisierung in unterschiedlichem Masse und zu ver­schiedenen Zeitperioden in berufliche Qualifikationsprofile eindringt. Die Nachfrage nach IT-Kennt­nissen in Beru­fen ist deshalb drittens auch mit unterschiedlichen Lohneffekten verbunden. Nur wenn Betriebe IT-Qualifikationen in einem Beruf noch nicht oft nachfragen und somit neu sind, gehen sie mit er­höhter Entlohnung einher.

Diese Studie liefert die Erkenntnis, dass in der Schweiz die Nachfrage nach verschiedenen IT-Kenntnissen auch in Berufen ausserhalb des Informatikbereichs steigt. IT-Kenntnisse gewinnen durch die Digitalisierung somit an Bedeutung. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und die Arbeitsmarktchancen zu wahren, sind Erwerbstätige auf IT-Weiterbildung angewiesen. Solche Weiterbildungen liegen nicht nur in der individuellen Verantwortung der einzelnen Arbeitnehmenden, sondern stellen auch eine gesellschaftliche Herausforderung dar. Die Sicherstellung von IT-Weiterbildungen sollte deshalb zwischen den verschiedenen arbeitsmarktlichen Interessenvertretern ausgehandelt werden.

 

 

[1]     Eigene Berechnungen mit Daten des Stellenmarkt-Monitor Schweiz.

[2]     Zwei weitere Kategorien beinhalten zum einen allgemeine Verweise auf IT-Kompetenzen (z.B. IT-Kenntnisse, IT-Erfahrung) und zum anderen sonstige Verweise auf IT (z.B. IT-Firmen, IT-Peripherie oder IT-Hardware). Da diese Verweise keinen di­rekten Bezug zu Kenntnissen für einzelne IT-Tools haben, werden diese beiden Kategorien in diesem Beitrag nicht berücksichtigt.

[3]     Die Auswertungen beinhalten alle nicht-IT-Berufe einer möglichst feingliedrigen Berufsstruktur mit 356 spezifischen Be­rufstiteln. Da viele Berufe in den Stelleninseraten jedoch gar nie auftauchen, bestehen die Daten letztlich aus 185 Beru­fen.

[4]   Abbildung 2 bildet nur die drei Typen «IT zur Steuerung von Unternehmen», «bran­chen­spezifische IT» und «Inhalt er­zeugende und Inhalt ver­ändern­de IT» ab, weil Kompetenzen im Umgang mit «Entwicklungs- und Sys­tem-IT» und «Netzwerk-IT» meist nur in IT-Berufen erforder­lich sind und eher selten in Stelleninsera­ten für nicht-IT-Berufe vorkommen. Es gibt deshalb auch keine typischen nicht-IT-Berufe für diese beiden Typen.

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