Das Ansehen von Berufen in der Schweiz

N°33, Februar 2023
Dominique Joye (FORS & Universität Lausanne), Yannick Lemel (CREST, Institut Polytechnique de Paris), Christof Wolf (GESIS & Universität Mannheim),

February 13, 2023
How to cite this article:

Joye, D., Lemel, Y., & Wolf, C. (2023). Das Ansehen von Berufen in der Schweiz. Social Change in Switzerland, N°33. doi: 10.22019/SC-2023-00002

 

 

 

 

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Zusammenfassung

In der Soziologie wird der soziale Status einer Person oft anhand des Berufs bestimmt. Folgt man dieser Linie, dann lässt sich der soziale Status vom Ansehen des ausgeübten Berufs ableiten. Das Ansehen eines Berufs kann anhand von Umfragen ermittelt werden, bei denen die Befragten gebeten werden, verschiedenen Berufen eine „Note“ zu geben. In einer kürzlich in der Schweiz durchgeführten Umfrage wurde 2020 das Ansehen verschiedener Berufe bestimmt. Auf dieser Grundlage kann zudem untersucht werden, inwieweit sich die Schweizer Skala von den in den letzten mehr als 50 Jahren verwendeten internationalen Skalen unterscheidet. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Ansehen eines Berufs auch davon abhängig ist, ob er von einem Mann oder von einer Frau ausgeübt wird. Und welche sozialen Ressourcen – insbesondere von der erforderlichen Ausbildung bis hin zum erzielten Lohn – für dieses Ansehen ausschlaggebend sind. Nach Klärung dieser Fragen lässt sich bestimmen, ob die Schweiz ein Sonderfall ist und inwiefern gesellschaftliche Veränderungen die Hierarchie des beruflichen Ansehens verändern könnten.


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Einleitung

In der Soziologie wird der soziale Status meist anhand des Berufs bestimmt. Der Beruf ist Teil dessen, was die Einzelperson zur Gesellschaft beiträgt, aber der Beruf bestimmt auch, was ein Mensch im Gegenzug zurückerhält: Geld in Form von Einkommen, aber auch Ansehen oder Macht. Zwar sind alle Berufe für die Gesellschaft von Nutzen, aber der Zugang zu einigen Berufen ist mit Hindernissen verbunden, angefangen bei der dafür erforderlichen Ausbildung: So gehört beispielsweise das Medizinstudium zu den längsten Studiengängen, was bereits einer Zugangsbeschränkung gleichkommt. Einige sind der Ansicht, dass eine derartige zeitliche Investition ein höheres Einkommen rechtfertigen könnte. Ein weiteres Beispiel sind bestimmte Berufe, die besondere Geschicklichkeit oder besondere körperliche Voraussetzungen erfordern. Alter oder Geschlecht werden bei der Beschäftigung in bestimmten Berufen ebenfalls als Vor- oder Nachteile angesehen.

Bei der Bestimmung des sozialen Status anhand des Berufs kann auf verschiedene Weise vorgegangen werden. So gilt beispielsweise nach wie vor, dass die definierten Gesellschaftsklassen für den sozialen Status bestimmend sind. Die Arbeit von Daniel Oesch (2006) ist ein gutes Beispiel für die Aktualität einer auf diesem Konzept basierenden Forschungslinie innerhalb der Schweiz. Bei anderen Ansätzen wird versucht, anhand der „sozialen Distanz“ eine Skala zu bestimmen, die sich von einem Beruf an einem Ende der Skala bis zum Beruf am anderen Ende der Skala erstreckt. Dies ist der Fall bei der CAMSIS-Skala, die von Bergman und Kollegen (2002) für die Schweiz angepasst wurde. Weitere Forscher haben sozioökonomische Indizes vorgeschlagen, die auf den Ressourcen basieren, die dem sozialen Status zugrunde liegen, wie beispielsweise Einkommen oder Bildung. Der bekannteste Versuch in dieser Richtung ist der International Socio-Economic Index (ISEI) von Ganzeboom, De Graaf und Treiman (1992). Viele dieser Messwerte wurden diskutiert, um die Ungleichheit in der Schweiz zu beschreiben (Levy et al., 1997).

Ein sehr einfaches Mass besteht jedoch darin, Personen zu bitten, den Rang verschiedener Berufe zu bestimmen, um eine Skala für das Ansehen zu erstellen (Reiss, 1961). Vor diesem Hintergrund hatte Donald Treiman (1977) durch den Vergleich verschiedener Studien von vor fast fünfzig Jahren vermutet, dass sich die Ansehensskala der Berufe zeitlich und räumlich kaum verändert (Ganzeboom & Treiman, 1996): Ob man so unterschiedliche Länder wie die USA oder China, Industrienationen wie Grossbritannien vor fünfzig Jahren oder Dienstleistungsgesellschaften wie die Schweiz von heute betrachtet, die Skala bleibe stets in etwa gleich. Hout und DiPrete (2006) sprechen daher von einer „Treiman-Konstanten“, die diese Konstanz beschreibt.

Die hier vorgestellte Studie zielt zunächst darauf ab, eine Ansehensskala der Berufe in der Schweiz zu erstellen: Neben einer Untersuchung zur Berufswahl in Genf vor über 60 Jahren mit einer Stichprobe von 21 Personen (Tofigh, 1964) und einer kürzlich durchgeführten Untersuchung, die die Ausbildungsgänge nach Ansehen ordnet (Abrassart & Wolter, 2020), ist bislang nur eine wenig bekannte Studie zu dieser Frage erschienen (Joye & Chevillard, 2013). Wir ergreifen deshalb die Gelegenheit, diese „Treiman-Konstante“ genauer zu untersuchen, insbesondere vor dem Hintergrund des starken Wandels des Arbeitsmarkts, und die vermeintlich konstante internationale Skala mit derjenigen in der Schweiz zu vergleichen.

Die jüngsten Arbeitsmarktentwicklungen, insbesondere hinsichtlich der Positionen von Männern und Frauen, deuten darauf hin, dass die Hierarchien von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen abhängig sind. Vor allem: Unterscheidet sich die Hierarchie je nach Geschlecht? Dies ist umso wichtiger, als beispielsweise die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem „Geschlecht der Berufe“ und dem Ansehen abgesehen von einigen Ausnahmen erstaunlich wenig untersucht wurde: Goyder, Guppy und Thompson (2002) haben den Wandel über einen Zeitraum von 25 Jahren um die Jahrhundertwende zum 21. Jahrhundert analysiert, und Crawley (2014) hat die Frage in jüngster Zeit erneut aufgegriffen.

In diesem Artikel werden wir versuchen, folgende Fragen zu beantworten: Wie sieht die Schweizer Skala des beruflichen Ansehens für 2019 aus, und inwieweit unterscheidet sie sich von der jahrzehntealten internationalen Skala? Wie kommt das Ansehen eines Berufes zustande: Ist vor allem die erforderliche Ausbildung entscheidend? Oder das erzielte Einkommen? Oder sind es andere berufliche Merkmale wie beispielsweise das Geschlecht oder die Nationalität der diesen Beruf ausübenden Personen? Und wie sehr herrscht darüber in der Schweiz ein Konsens, insbesondere in Abhängigkeit davon, ob der Beruf von einer Frau oder von einem Mann ausgeübt wird?

Methode

Die Studie basiert auf einer Umfrage, MOSAiCH, die 2019 von FORS durchgeführt wurde. Mit einer zufälligen Auswahl der Befragten, wie sie heute für Umfragen zum Qualitätsstandard geworden ist, wurden für den Teil, der uns hier interessiert, 1675 Personen online befragt.

Damit möglichst viele Berufe bewertet werden konnten, bevor die Konzentration der Befragten nachliess, wurden jeder und jedem Befragten 36 zufällig aus einem grösseren Pool ausgewählte Berufe vorgelegt. So wurden Daten für mehr als 130 Berufe gesammelt, bei einigen getrennt nach Arbeitnehmern und Selbstständigerwerbenden. Der gesamte Datensatz umfasst 154 Berufe, 308 an der Zahl, wenn man männliche und weibliche Berufsbezeichnungen unterschiedlich behandelt, so dass jeder Beruf doppelt gezählt wird.

Die Frage, die zur Erfassung des Ansehens eines Berufs herangezogen wurde, lautete: “Nun geht es darum, wie Sie gewisse Berufe einstufen würden. Bitte ordnen Sie die folgenden 36 Berufe nach dem jeweiligen sozialen Status auf einer Skala von 1 bis 9 ein. 1 steht für das tiefste Ansehen, 9 für das höchste Ansehen.” Für die spätere Darstellung wurden die Daten von 1 bis 9 auf 0 bis 100 umgerechnet. Die Auswahl der zu untersuchenden Berufe entspricht der derzeitigen Praxis in diesem Bereich, wie sie von Hout, Smith und Mardsen (2014) beschrieben wird. Jeder Beruf wurde entweder in der männlichen Form mit „einen Mann, der … ist“ oder in der weiblichen Form mit „eine Frau, die … ist“ beschrieben. Alle Befragten hatten am Ende genauso viele männliche wie weibliche Berufe zu bewerten, und jeder Beruf wurde insgesamt gleich oft in der männlichen Bezeichnung und in der weiblichen Bezeichnung vorgelegt.

Der individuelle Antwortstil wurde überprüft, damit das Ranking nicht durch Eigenheiten der befragten Personen verfälscht wird. Technisch wurde gemäss den Vorschlägen von Hout, Smith und Mardsen (2014) ein mehrstufiges Modell mit festen Auswirkungen auf individueller und beruflicher Ebene angewendet. Bewertete eine oder ein Befragte/r, was nicht oft passierte, die Hälfte der vorgelegten Berufe nicht oder alle gleich, wurden die Antworten der Person in der Analyse nicht berücksichtigt.

Beim Vergleich der Ergebnisse mit früheren Studien, bei denen die Geschlechterdimension meist noch nicht berücksichtigt wurde, wurde ein einheitlicher Koeffizient berechnet, der sich aus dem Durchschnitt zwischen dem Score für Männer und dem Score für Frauen ergab, gewichtet nach dem jeweiligen Anteil der beiden Geschlechter im betreffenden Beruf. Der gleiche individuell gewichtete Durchschnitt wurde gebildet, um die Punktzahlen von Angestellten und Selbstständigerwerbenden zu erfassen. Die vom Bundesamt für Statistik durchgeführte Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) der letzten 20 Jahre lieferte Daten über die Verteilung der Berufe in der Schweiz.

Schweizer Ansehensskala 2019

Jeder Beruf erhält also einen Wert, der seinem Ansehen entspricht. Für die Beschreibung ist es jedoch interessanter, sich nicht auf einen bestimmten Wert zu konzentrieren, sondern Berufsgruppen ins Auge zu fassen, die im Ranking über ein ähnliches Ansehen verfügen (siehe Abbildung 1). Die Durchschnittsnote betrug 50, wobei Fachärzten (86) das höchste und Küchenhilfen (28) das geringste Ansehen zugeschrieben wurde. Abbildung 1 zeigt die Berufe von den angesehensten zu den am wenigsten angesehenen, unterteilt in grössere Kategorien.

Unterhalb einer Note von 30 befinden sich trotz dieser willkürlichen Begrenzung in der Ansehensskala nur nicht qualifizierte Dienstleistungsberufe wie Büroreinigerin, Wäscherin oder Küchenhilfe. Etwas darüber liegen mit einer Note zwischen 30 und 40 gering qualifizierte Berufe in der Industrie, aber auch Dienstleistungsberufe wie Servierer, Verkäufer und Coiffeure. Darüber finden sich qualifizierte Handwerksberufe wie Schleifer, Holzfäller und Baumaler, aber auch einige Verwaltungsberufe wie Sekretärinnen und Sekretäre oder kaufmännische Angestellte.

Abbildung 1: Berufe nach Ansehen in der Schweiz 2019, auf einer Skala von 28 bis 86 (Durchschnitt: 50)

80 und mehr
Facharzt (s.) – Universitätsprofessor – Direktor eines grossen Unternehmens – Richter – Facharzt (a.) – Flugzeugpilot – Allgemeinarzt
70 bis 79
Rechtsanwalt (s.) – Physiker – Rechtsanwalt (a.) – Zahnarzt – Notar – Ingenieur für Computersysteme – Architekt (s.) – Biologin – Wirtschaftswissenschaftlerin – Maschinenbauingenieur – Apothekerin (s.) – Architekt (a.) – Bauunternehmer – Gymnasiallehrerin – Polizeikommissar
60 bis 69
Psychologin (s.) – Personalchefin – Psychologin (a.) – Forstingenieur – Berufsschullehrerin – Augenoptikerin (s.) – Leitender Beamter – Apothekerin (a.) – Soziologe – Schiffsführer – Berufsfeuerwehrmann – Journalist – Zahntechniker – Grundschullehrerin – Übersetzerin (s.) – Steuerberater (s.) – Marketingspezialistin – Hebamme – Polizist(in) – Anlageberater (s.) – Krankenpflegerin – Schriftsteller – Goldschmied (s.) – Immobilienverwalter (s.) – Restaurantleiterin
50 bis 59
PR-Spezialistin – Berufmusiker – Uhrmacher – Übersetzerin (a.) – Elektroniktechniker – Webmaster – Winzer (s.) – Chemielaborantin – Buchhalter – Schauspieler – Steuerberater (a.) – Krippen- oder Kindergartenleiterin – Lokomotivführer – Anlageberater (a.) – Sozialarbeiterin – Bauzeichner – Pfarrer/ Priester – Fotograf (s.) – Elektroniker – Augenoptikerin (a.) – Zimmermann (s.) – Goldschmied (a.) – Feinmechaniker – Heizungsmonteur (s.) – Import-Export Fachkraft – Automechaniker (s.) – Zahnhygienikerin – Rayonchefin – Bäcker (s.) – Immobilienverwalter (a.) – Drucker (s.) – Bildhauer – Sporttrainerin – Arztgehilfin – Gärtner (s.) – Zöllner – Techniker beim Fernsehen – Metzger (s.) – Fotograf (a.) – Elektriker – Landwirt – Schneiderin (s.) – Koch – Versicherungsagent – Kaufmännische Angestellte – Techniker in einer Kläranlage – Archivar – Winzer (a.) – Bauschreiner
40 bis 49
Baumaler (s.) – Handelsvertreter – Flight Attendant / Flugstewardess – Pflegehelferin – Innenarchitektin – Zimmermann (a.) – Sekretärin – Schornsteinfeger (s.) – Schlosser – Reiseleiter – Spengler – Bäcker (a.) – Dachdecker – Käser – Automechaniker (a.) – Heizungsinstallateur (a.) – Reisebüroangestellte – Kondukteur (Zubegleiter) – Gärtner (a.) – Maurer – Schuhmacher – Coiffeuse (s.) – Drucker (a.) – Mannequin – Giesser – Kaminfeger (a.) – Receptionistin – Schneiderin (a.) – Kosmetikerin (s.) – Velomechaniker – Metzger (a.) – Postangestellte – Telefonmonteur – Holzfäller – Tagesmutter – Metallschleifer – Holzpolierer – Baumaler (a.) – Lastwagenfahrer
30 bis 39
Sekuritaswächter – Fischer – Strassenarbeiter – Verkäuferin – Kosmetikerin (a.) – Serviererin in einem Restaurant – Hauswart – Landarbeiter – Magaziner – Coiffeuse (a.) – Velokurier – Ladenkassiererin – Hausangestellte – Tankwartin  – Fabrikarbeiterin
Bis zu 29
Verpackerin – Wäscherin – Küchenhilfe – Büroreinigerin

Anmerkung: (a.) und (s.) bedeutet angestellt bzw. selbstständigerwerbend.
Die Berufsbezeichnungen wurden in der weiblichen Form angegeben, wenn mindestens 50 % der im Beruf Beschäftigten Frauen sind, ansonsten ist die männliche Form angegeben, wobei anzumerken ist, dass es im Französischen (das Original der Studie ist auf Französisch erschienen) Berufsbezeichnungen gibt, die sowohl weiblich als auch männlich sein können, anders als die jeweiligen Entsprechungen im Deutschen.
Daten: MOSAiCH 2019.

In den mittleren Kategorien mit Noten zwischen 50 und 60 finden sich Berufe, deren Arbeit als technisch anspruchsvoller angesehen werden kann: Laboranten, Uhrmacher oder Lokomotivführer, aber auch Tätigkeiten in anderen Bereichen wie im Gesundheitswesen (z. B. Arztgehilfen) oder im Dienstleistungsbereich (z. B. Pfarrer und Priester oder auch Sozialarbeiter). Zwischen 60 und 70 Punkten finden sich künstlerische Berufe (Schriftsteller, Berufmusiker), Bildungsberufe (Grundschullehrer oder Gymnasiallehrer) und Führungsberufe (Schiffsführer, Personalchef).

Bei über 70 Punkten werden Ingenieure, Architekten, Richter, Anwälte, Ärzte und Wissenschaftler, wie Universitätsprofessoren, positioniert. Diese Berufe zeichnen sich durch ein hohes „kulturelles Kapital“ und häufig durch ein bedeutendes „wirtschaftliches Kapital“ aus (Bourdieu, 1979).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Arbeiter oft angesehener sind als Vertreter der am geringsten qualifizierten Dienstleistungsberufe, während früher die Arbeiter weniger Ansehen hatten als Bürobeschäftigte. Künstlerische Berufe wurden relativ hoch bewertet, ebenso wie technische Berufe. An der Spitze stehen Vertreter der Wissenschaft, die besser bewertet werden, als die meisten Führungskräfte in der Wirtschaft, abgesehen von der Führungsspitze sehr grosser Unternehmen. Geld und Stellung in einer Hierarchie sind also nicht die einzigen Kriterien, die für das Ansehen eines Berufs bestimmend sind.

Diese wenigen Merkmale – wie die Bedeutung der wissenschaftlichen Berufe ganz oben auf der Skala oder die Aufwertung der Arbeiterwelt im Vergleich insbesondere zu den Angestellten – zeigen, dass sich die heute stark tertiarisierte Schweizer Gesellschaft vielleicht doch stark von den Industriegesellschaften Europas in der Mitte des 20. Jahrhunderts unterscheidet. Im Nachfolgenden soll dies genauer betrachtet werden.

Berufliches Ansehen in der Schweiz im internationalen Vergleich

Obwohl in vielen Ländern bereits zahlreiche Studien zum beruflichen Ansehen durchgeführt wurden, verweisen wir hier lediglich auf den „Standard“: die von Treiman (1977) vorgeschlagene und von Ganzeboom und Treiman (1996) aktualisierte Ansehensskala, die anschliessend von Ganzeboom (2010) auf Grundlage der 2008 revidierten Nomenklatur des Internationalen Arbeitsamtes, ISCO-08, überarbeitet wurde. Das Argument von Treiman lautet, dass diese internationale Skala nicht nur in vielen Ländern gültig ist, sondern auch langfristig stabil bleibt (Ganzeboom & Treiman, 1996).

Zwischen der internationalen Ansehensskala (SIOPS) und der Schweizer Skala (CH-2019) lässt sich eine starke Korrelation von 0.89 feststellen, was die Hypothese der Treiman-Konstante durchaus rechtfertigt. Die Korrelation ist zum einen sehr hoch, weil es eine grosse Übereinstimmung bei den Extremen gibt: In beiden Fällen weisen unqualifizierte Berufe, insbesondere im Dienstleistungssektor, sehr niedrige Indizes auf. Im Gegensatz dazu erzielen beispielsweise Richter und Ärzte in beiden Skalen sehr hohe Punktzahlen. Somit wird die allgemeine Skala durch diese Extreme aufgespannt, auch wenn sich auf allen Ebenen natürlich kleinere Unterschiede zeigen.

In Abbildung 2 sind diejenigen Berufe aufgeführt, bei denen sich deutliche Unterschiede von mindestens 10 Punkten zwischen den beiden Datenquellen zeigen. Der Beruf ist in der männlichen Bezeichnung aufgeführt, wenn es mehr Männer als Frauen gibt, die ihn in der Schweiz ausüben, ansonsten in der weiblichen Form. In der Schweizer Umfrage wurden beispielsweise „Flugzeugpiloten“, „Lokomotivführer“ oder „Ingenieur für Computersysteme“ höher bewertet. Allgemein scheinen die technischen Berufe in der Schweizer Umfrage ein höheres Ansehen zu erzielen, ebenso wie die Berufe im Gesundheitswesen wie „Krankenpfleger“ und „Hebammen“ oder sogar Hilfsberufe wie Feuerwehrleute. Im Gegensatz dazu scheinen wenig spezifische Berufe im Dienstleistungssektor wie „Verkäufer“ oder „Sekretäre“ in der Schweiz heute weniger Ansehen zu geniessen als bei der internationalen Vergleichsskala.

Abbildung 2: Unterschied zwischen dem sozialen Status nach Schweizer Skala und internationaler Skala

Chart

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Die Berufsbezeichnungen wurden in der weiblichen Form angegeben, wenn mindestens 50 % der im Beruf Beschäftigten Frauen sind, ansonsten ist die männliche Form angegeben, wobei anzumerken ist, dass es im Französischen (das Original der Studie ist auf Französisch erschienen) Berufsbezeichnungen gibt, die sowohl weiblich als auch männlich sein können, anders als die jeweiligen Entsprechungen im Deutschen.
Daten: MOSAiCH 2019.

Für den Fall Schweiz lassen sich mit Bezug auf die „Treiman-Konstante“ mehrere Hypothesen vorbringen, ohne jedoch über die Mittel zu verfügen, um abschliessend beurteilen zu können, welche Elemente die Grundlage für diese Veränderung bilden. Insbesondere:

  • Technische Berufe nach einer Berufslehre und einer höheren Berufsausbildung gehören in der Schweiz zu den hoch qualifizierten Berufen und haben daher ein relativ hohes Ansehen.
  • Der Wandel zu einer stärker tertiarisierten Welt hat das Image der technischen Berufe paradoxerweise verbessert, insbesondere bei Berufen in den Bereichen IT und neue Technologien. Dadurch ist das Ansehen von Büroangestellten ohne besondere Qualifikationen wie „Verkäufer“, „Sekretärinnen“ oder „Büroangestellte“ gesunken. Auch Gesundheitsberufe sind heute viel angesehener als früher.

Die Tertiarisierung unserer Gesellschaft wirkt sich somit auch auf die Hierarchie aus, in der bestimmte technische Berufe oder Arbeiterberufe, insbesondere manuelle Produktionsberufe, im Ansehen gestiegen sind, ohne dass sich dadurch die Einstufung der angesehensten und der am wenigsten angesehenen Berufe verändert.

Einkommen, Ausbildung und andere Merkmale

Grundsätzlich könnte das Einkommen als Hauptgrund für das soziale Ansehen betrachtet werden, da das Einkommen scheinbar die wichtigste Form der Würdigung für die geleistete Arbeit ist. Dabei geht es nicht um das Einkommen der Person X, die eine bestimmte Position innehat, sondern um ein Merkmal des Berufs selbst. In der Literatur wird auch häufig darüber gesprochen, dass die Länge und die Schwierigkeit der für eine bestimmte Position erforderlichen Ausbildung für das Ansehen herangezogen werden kann.

In der ESPA-Umfrage des BFS werden unter anderem Einkommen und Ausbildung der Befragten in den verschiedenen Berufen untersucht. Wir können nun auf die seit 1996 gesammelten Daten zugreifen und verfügen damit über einen breiten Datensatz, mit dem sich für jeden Beruf ein durchschnittliches Einkommen und eine durchschnittliche Ausbildung berechnen lassen. Dabei geht es nicht darum, die Löhne im engeren Sinne zu bestimmen und auch nicht die erforderlichen schulischen Fähigkeiten, sondern vielmehr darum, die verschiedenen Berufe in Bezug auf Einkommen und erforderliche Ausbildung in einer gemeinsamen Skala anzuordnen. Zu diesen Basisdaten lassen sich weitere Informationen hinzufügen wie die geschlechtsbezogene Verteilung im Beruf, die darin vertretenen Nationalitäten oder sogar der Erwerbsstatus bei den verschiedenen Berufen.

Neben dem Einkommen und der Ausbildung, die eindeutig soziale Ressourcen sind, lauten unsere Hypothesen unter gleichen Bedingungen wie folgt: 1) Typische Frauenberufe sind oft weniger angesehen; 2) Berufe mit älteren Beschäftigten sind ebenfalls weniger angesehen; 3) Berufe mit einem hohen Ausländeranteil haben auch ein geringeres Ansehen und 4) Berufe mit mehr Selbstständigerwerbenden setzen eine grössere Unabhängigkeit und Organisationsfreiheit voraus und geniessen daher höheres Ansehen.

  • Bei der Berechnung des Einkommens wird der Lebenshaltungsindex berücksichtigt.
  • Die Dauer der Ausbildung errechnet sich nach der durchschnittlichen Zahl an Ausbildungsjahren für den am Ende erhaltenen Abschluss.
  • Geschlecht: Der Anteil der Frauen in jedem Beruf.
  • Alter: Das Durchschnittsalter der Personen in einem bestimmten Beruf.
  • Nationalität: der Prozentsatz der Schweizer Bürger in jedem Beruf.
  • Selbstständigerwerbende: Der Anteil der Selbstständigerwerbenden in jedem Beruf.

Diese berufsbezogenen Merkmale ermöglichen den Aufbau verschiedener Modelle, die sich unterschiedlich gut interpretieren lassen. So kann das beste Modell, mit der höchsten Aussagekraft und der geringsten Anzahl von Parameter, ausgewählt werden. Das hier eingesetzte Verfahren nennt sich „Multiple Regression“ und ergibt folgende Formel:

Ansehen= β1*Einkommen+β2*Bildung+…

so dass die Übereinstimmung mit den Daten maximal ausfällt. Die Qualität eines Modells variiert zwischen 0 und 1 und wird R2 genannt: Ein Wert von 0,8 bedeutet, dass das Modell 80 % der Ansehensunterschiede zwischen den Berufen erklären kann. Es sei darauf hingewiesen, dass die hier verwendeten Koeffizienten genormt sind, d. h. sie sind nicht von der Variablenmessskala abhängig. Schliesslich wird jeder Beruf entsprechend seiner prozentualen Bedeutung für die Schweizer Erwerbsbevölkerung gewichtet. Damit wird der Struktur des Schweizer Arbeitsmarktes Rechnung getragen. Die Analyse wurde bei den rund 130 Berufe durchgeführt, die den Befragten vorgelegt worden sind.

Tabelle 1 zeigt die verschiedenen Modelle und deren Aussagekraft. Die Qualität des ersten Modells ist bereits hervorragend, obwohl ausschliesslich Einkommen und Ausbildung als Variablen berücksichtigt wurden. Da Einkommen und Ausbildung die am häufigsten verwendeten Variablen für derartige Modelle sind, wurden sie zuerst eingeführt. Die Hypothesen bezogen auf Nationalität und den Anteil der Selbstständigerwerbenden müssen hingegen verworfen werden, da sie die Aussagekraft nicht verbessern. Auch das Geschlecht trägt kaum zur Erklärung der für das Ansehen vergebenen Noten bei: Die durchschnittliche Ausbildung und das durchschnittliche Berufseinkommen sind die entscheidenden Faktoren, mit denen sich das Ansehen eines Berufs erklären lassen.

Tabelle 1: Statistische Modelle zur Erklärung des Ansehens von Berufen in der Schweiz

Modell Einkommen Ausbildung Geschlecht Alter Nationalität Selbstständig R2
1 0.50 0.46 0.78
2 0.44 0.51 -0.05 0.79
3 0.48 0.49 -0.04 -0.08 0.79
4 0.48 0.49 -0.04 -0.08 0.01 0.79
5 0.46 0.51 -0.03 -0.11 -0.01 0.11 0.80

Es wurden standardisierte Regressionskoeffizienten verwendet.

Für die Bestimmung des Ansehens ist die Gewichtung der Variablen Einkommen und Bildung zwar in allen Modellen sehr wichtig, aber sie sind auch nahezu deckungsgleich. Dies ist ein interessantes Ergebnis, denn auch dies zeigt sich durchgehend seit mehr als 50 Jahren in allen Untersuchungen zum Ansehen. Wenn Bildung und Einkommen, als soziale Ressourcen, unabhängig vom historischen Rahmen das berufliche Ansehen bestimmen, und es im Zeitverlauf stets dieselben Berufe sind, die sich durch ein niedriges oder hohes Einkommen oder durch geringe oder hohe Ausbildungsanforderungen auszeichnen, dann bleibt auch das Ansehen der Berufe relativ konstant und verändert sich kaum. Der einzige Unterschied zu den US-Studien vor rund 50 Jahren ist die etwas geringere Bedeutung des Einkommens im Vergleich zur Ausbildung, vor allem wenn man auch den Männer- und Frauenanteil in den verschiedenen Berufen berücksichtigt (Hauser & Warren, 1997).

Berufliches Ansehen und Geschlecht

Die Stellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist in der westlichen Welt eine der wichtigsten gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahre. Auch in der Schweiz ist sie deutlich festzustellen, wie in der Serie „Social Change in Switzerland“ erläutert wird. Man kann also davon ausgehen, dass das Ansehen eines Berufs unterschiedlich bewertet wird, je nachdem, ob er von einem Mann oder einer Frau ausgeübt wird. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die am stärksten von Männern besetzten Berufe bei gleichbleibenden anderen Variablen auch am besten bezahlt sind, kann davon ausgegangen werden, dass sie auch in Bezug auf das Ansehen am besten abschneiden. Unsere Umfrage hat diesen Aspekt explizit berücksichtigt, indem systematisch die Frage nach „einem Mann, der … ist“ oder „einer Frau, die … ist“ gestellt wurde.

Unsere Ergebnisse zeigen jedoch kaum einen Unterschied im Ansehen abhängig davon, ob der Beruf von einem Mann oder von einer Frau ausgeübt wird. Die Ergebnisse sind viel homogener, als wir angenommen hätten, auch wenn die etwas unsystematische Literatur sowohl signifikante Unterschiede feststellte, wenn auch mit einer etwas anderen Vergleichsmethode (Powell und Jacobs, 1984) wie auch geringe Unterschiede bei Crawley (2014), mit einer hauptsächlich aus Akademikern bestehenden Stichprobe. Tatsächlich lautete die Hypothese von Goyder, Guppy und Thompson (2003), die ihre Ergebnisse mit einer ähnlichen Studie, die 25 Jahre zuvor stattfand (Guppy & Siltanen, 1977), verglichen, dass die zunehmende Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen in verschiedenen Positionen die Unterschiede des Ansehens von in der männlichen oder in der weiblichen Form bezeichneten Berufen verringert hat.

Einige Abweichungen sind jedoch beachtenswert und werden in Abbildung 3 dargestellt. Der Unterschied in der Punktzahl wird nur dargestellt, wenn er grösser als 2.4 ist, was der Grössenordnung der statistischen Genauigkeit unserer Messungen entspricht. Auf der y-Achse ist die geschlechtsunabhängige Messung des Ansehens aufgezeichnet. Die Berufsbezeichnung ist in der weiblichen Form angegeben, wie immer in diesem Artikel, wenn die Mehrzahl der Stellen in dieser Gruppe von Frauen besetzt sind.

Wird der Beruf hauptsächlich von Frauen ausgeübt, wie im Fall von Kosmetikerinnen oder Hebammen, ist das Ansehen für die weibliche Berufsbezeichnung höher ausgeprägt. Bei Berufsfeuerwehrleuten oder Zimmerleuten hat umgekehrt die männliche Berufsbezeichnung ein höheres Ansehen gegenüber der weiblichen. Diese Erkenntnis machten auch Powell und Jacobs (1984). In den Verkaufsberufen wie bei Verkäuferinnen, aber auch bei Metzgern oder Bäckern, schneiden die Berufe etwas besser ab, wenn sie in männlicher Form präsentiert werden. Auch in einem anderen Bereich, in der Bildung, ist dies der Fall bei Lehrkräften der Gymnasialstufe oder bei Fabrikarbeitern. Im Gegensatz dazu wurde bei anderen Berufen, insbesondere im Bereich der Kommunikation, wie Journalist, Übersetzer, Schauspieler, PR-Spezialistin oder sogar Pfarrer eine höhere Punktzahl vergeben, wenn der Beruf den Befragten in der weiblichen Form vorgelegt wurde. Der Fall der Journalisten ist übrigens auch bei Powell und Jacobs (1984) erwähnt.

Abbildung 3: Unterschied nach Berufsbezeichnung

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Die Berufsbezeichnungen wurden in der weiblichen Form angegeben, wenn mindestens 50 % der im Beruf Beschäftigten Frauen sind, ansonsten ist die männliche Form angegeben, wobei anzumerken ist, dass es im Französischen (das Original der Studie ist auf Französisch erschienen) Berufsbezeichnungen gibt, die sowohl weiblich als auch männlich sein können, anders als die jeweiligen Entsprechungen im Deutschen.
Daten: MOSAiCH 2019.

Kurz gesagt, Stereotype scheinen bei einer begrenzten Anzahl Berufe vorzuherrschen, die entweder deutlich männlich oder weiblich besetzt sind, oder bei den Frauen kommunikativ bzw. bei den Männern kaufmännisch ausgerichtet sind. Vor allem aber muss die aussergewöhnliche Übereinstimmung der Bewertungen betont werden: Die Tatsache, dass ein Beruf von einem Mann oder von einer Frau ausgeübt wird, hat heute bei der Einschätzung seines Ansehens praktisch keinen Einfluss mehr. Dieses Ergebnis mag erstaunlich erscheinen, wenn man die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Ausbildung und den Löhnen in den Berufen berücksichtigt (Guilley et al., 2019). Dasselbe Ergebnis ergab sich aber bereits in den 1980er-Jahren für die Schweiz, mit einer anderen Studienanordnung (Lorenzi-Cioldi & Joye, 1988). Wie Goyder, Guppy und Thompson (2003) aber anmerken, bedeutet die Homogenisierung der Beurteilung des Ansehens zwischen den Geschlechtern nicht, dass es keine Geschlechterungleichheiten mehr auf dem Arbeitsmarkt gibt: Wenn das Ansehen eines Berufs vom Einkommen und der Ausbildung abhängt, erreicht man dann eine Gleichberechtigung in dem Moment, in dem das Motto „gleiche Arbeit, gleicher Lohn“ überall umgesetzt wird.

Schlussfolgerungen

Abschliessend lässt sich sagen, dass eine Ähnlichkeit zwischen der von uns ermittelten Skala des beruflichen Ansehens in der Schweiz und der internationalen Skala vorliegt, auch wenn letztere vor vielen Jahren erstellt wurde: Die Berufe sind sowohl schweizweit als auch international ähnlich auf der Skala angeordnet. Kurz gesagt gibt es keinen Schweizer Sonderfall in Bezug auf soziale Strukturen.

Der internationale Vergleich macht jedoch eine Nuance deutlich: In der Schweizer Gesellschaft sind technische und Pflegeberufe höher angesehen, gering qualifizierte Dienstleistungsberufe hingegen weniger. Dieser Trend dürfte in anderen stark tertiarisierten Ländern wahrscheinlich ähnlich ausfallen.

Der Unterschied zwischen ein und demselben Beruf, der von einem Mann oder einer Frau ausgeübt wird, ist in den meisten Fällen gering, und nur sehr „typisierte“ Berufe können in dieser Hinsicht erhebliche Unterschiede aufweisen. Der geringe Unterschied zwischen der beruflichen Einstufung der männlichen und weiblichen Berufsbezeichnungen ist überraschend.

Einkommen und Ausbildung sind für das berufliche Ansehen in der Schweiz sehr aussagekräftig und dies in gleichem Masse. Die anderen Charakteristika der einzelnen Berufe sind für das Ansehen hingegen von sehr geringer Bedeutung. Dasselbe Ergebnis wurde bereits oft in anderen Ländern beobachtet und könnte eine Erklärung für die Allgemeingültigkeit der Ansehensskala sein, da die Einkommens- und Ausbildungsordnung kaum variiert.

Im Allgemeinen hat die Bevölkerung eine relativ homogene Vorstellung vom Ansehen verschiedener Berufe. Aus Platzgründen konnten die Detailergebnisse hier nicht dargestellt werden, aber die Bewertungen von jungen und alten Menschen, Männern und Frauen sowie Menschen mit einem geringen und hohen sozialen Status fielen sehr ähnlich aus. Es herrscht also in der Regel ein Konsens darüber, wie die Berufe in der Schweiz zu bewerten sind, und somit kann man sagen, dass es in der Bevölkerung eine übereinstimmende Vorstellung der sozialen Hierarchie gibt. Dies ist wahrscheinlich eine Voraussetzung für mehr Gleichheit in der Gesellschaft, wenn man bestimmte Nischen mit besonderen Berufen ausser Acht lässt.

Die sowohl zeitliche als auch räumliche Konstanz der Ergebnisse ist letztendlich eine starke Aussage, auch wenn diese Aussage in einer Publikationsreihe mit dem Titel „sozialer Wandel“ etwas paradox wirken mag. Gleichzeitig können diese Veränderungen in der Berufsskala der Schweiz auch so gelesen werden, dass technische Berufe eine Aufwertung und gering qualifizierte Tertiärberufe eine Abwertung erfahren haben, obwohl die Skala der geringer und höher angesehen Berufe natürlich mit einer grossen Trägheit behaftet ist. Das berufliche Ansehen wirkt sich also nicht nur auf die soziale Ordnung aus, sondern liefert auch eine Orientierung bei der Wahl eines künftigen Berufes. Die unterschiedlichen Rankings können daher sehr wichtig sein und Erklärungen dafür liefern, was hinter Berufswahlentscheidungen steht und warum bestimmte Ungleichheiten weiterhin Bestand haben. Dies ist jedenfalls einer der Punkte, die der Diskussion zwischen Berufs- und Allgemeinbildung in der Schweiz zugrunde liegen (Abrassart & Wolter, 2020).

Anhang

Tabelle A.1 : Werte der Schweizer Ansehensskala (2019)

Bibliographie

Abrassart, A., & Wolter, S. C., 2020. Investigating the image deficit of vocational education and training: Occupational prestige ranking depending on the educational requirements and the skill content of occupations. Journal of European Social Policy, 30(2), 225-240.

Bergman, M. M., Lambert, P., Prandy, K., & Joye, D., 2002. Theorization, construction, and validation of a social stratification scale: Cambridge Social Interaction and Stratification Scale (CAMSIS) for Switzerland. Swiss Journal of Sociology, 28(1), 7-25.

Bourdieu, P. 1979, La distinction. Editions de minuit, Paris.

Crawley, D., 2014. Gender and perceptions of occupational prestige: Changes over 20 years. Sage Open, 4(1), 1-11.

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